Dance of Shadows
Ich wollte immer nur so perfekt tanzen, dass die Welt stehen bleibt. Das gelingt mir im
Danse du Feu
. Kannst du mich verstehen?«
»Nein«, erwiderte Vanessa schroff.
»Ich hab versucht, dich zu warnen, dass wir nie zusammenkommen können«, entgegnete er. »Das Schicksal ist gegen uns.«
»Mit Schicksal hat das nichts zu tun«, sagte sie mit fester Stimme. »Das ist einzig und allein deine Entscheidung.«
»Du wirst bald verstehen, was ich meine.« Er ließ ihren Arm los und nickte in Richtung des Scheinwerfers. Vanessa wirbelte herum,gleichzeitig trat Zep einen Schritt zurück und verschwand im Schatten. Aus der Dunkelheit tauchten plötzlich Gestalten auf, und Vanessas Blick schoss von einer zur anderen – blasse Gesichter, aufblitzende Augen und eine erhobene weiße Hand.
Zunächst dachte Vanessa, es wären die weißen Figuren an den Wänden, aber sie waren es nicht. Sie wartete und lauschte, bis sie schwache Atemgeräusche vernahm. Es waren Menschen aus Fleisch und Blut. Mädchen. Die Besetzung des
Feuervogels
und des
Danse du Feu.
Sie bewegten sich wie Schlafwandlerinnen.
Sie wollte zu ihnen hinlaufen, sie schütteln und ihnen sagen, was hier gespielt wurde, doch bevor sie das tun konnte, warf jemand ein Paar Spitzenschuhe über den Boden. Sie glitten über das Holz, und die Bänder verhedderten sich, bevor die Schuhe im Lichtkreis des Scheinwerfers zum Stehen kamen.
»Zieh sie an!« Josefs Stimme duldete keinen Widerspruch.
Vanessa starrte die rosaroten Satinschläppchen an und wusste, sie würden passen, denn es waren ihre eigenen. Ein extra Paar, das sie in ihrem Spind in der Umkleide aufbewahrte. Dennoch rührte sie sich nicht von der Stelle.
»Zieh sie an!«, wiederholte Josef.
Vanessa glaubte zu sehen, wie sich neben ihr etwas bewegte. Sie drehte sich rasch um und sah aus dem Augenwinkel einen weiteren Schatten. Zugleich ging ringsum von den Wänden ein schwaches Licht aus.
Als Erstes sah sie die Prinzessinnen, alle dreizehn. Ihre Gesichter waren milchig weiß gepudert, passend zu ihren Trikots. Hinter ihnen sah Vanessa noch immer die weißen Figuren an der Wand, eine für jede der dreizehn Prinzessinnen, als wären sie deren Schatten. Die Prinzessinnen stellten sich im Kreis um Vanessa herum auf und nahmen ihre Anfangsposition ein, die Arme über den Kopf gestreckt. Ihre schmalen Lippen waren rot geschminkt, der Blick gesenkt. Unterihnen erkannte sie Anna, deren blondes Haar zu einem Chignon hochgesteckt war.
»Anna.« Vanessa suchte ihren Blick, doch sie schien wie erstarrt, die zerbrechlich wirkenden Arme vor sich ausgestreckt.
»Sie wird nicht mit dir reden«, sagte Josef und trat aus der Dunkelheit. Das Scheinwerferlicht fiel auf sein Gesicht, und seine buschigen Brauen warfen Schatten, sodass seine Augenhöhlen unheimlich leer wirkten.
Josef streckte die Hand aus und strich einer der Prinzessinnen über die Schulter. Sie rührte sich nicht. Er trat zurück und klatschte in die Hände. »Keine von ihnen wird mit dir reden. Sie gehören bereits mir.«
Vanessa wollte zur Tür rennen, da hörte sie wieder das unterdrückte Stöhnen. Sie blickte durch den Kreis der Prinzessinnen zum Rand des Probensaals. Ein Bündel, das aussah wie ein Haufen Kleider, lag dort im Halbschatten auf dem Boden. Vanessa beugte sich vor und spähte in die Dunkelheit, dann sah sie, dass sich das Bündel bewegte.
Josef lächelte, als sie hinging, um herauszufinden, was es war. Sie sah einen Schuh, dann einen Knöchel in schwarzen Tanzstrumpfhosen. Vanessa erstarrte. »Steffie?«, rief sie ungläubig.
Steffie wand sich, geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt, auf dem Boden.
Vanessa wollte zu ihr hineilen, doch Zep trat dazwischen. »Lass das«, herrschte Josef sie an. »Noch nicht.«
Vanessa zuckte erschreckt zurück und sah sich hektisch im Raum um. Ein Stück weiter lag TJ, ebenfalls gefesselt und geknebelt. Die wirren Locken verdeckten ihre Augen. Neben ihr sah sie Blaine, der unter seinem Knebel leise wimmerte. Er lag direkt neben der Tür. Vanessa bemerkte es und überlegte einen Moment, dann wandte sie den Blick ab.
»Was hast du mit ihnen gemacht?«, fragte sie Josef, und ihre Stimme bebte vor Zorn.
Josef ging im Raum auf und ab. »Um sie solltest du dir keine Sorgen machen«, sagte er. »Ihr Schicksal ist besiegelt.«
»Ich glaube nicht an Schicksal«, versetzte Vanessa.
»Woran glaubst du dann?«
»An hartes Arbeiten. Regelmäßiges Training. An Menschen. An Entscheidungen – und daran,
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