Dance of Shadows
ihnen.
Vanessa senkte den Blick, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Der Satin ihrer rosaroten Spitzenschuhe war voller Ascheflecken. Wo Hilda gestanden hatte, nur ein paar Armlängen von ihr entfernt, war nichts mehr zu sehen, nicht einmal ein verkohlter Brandfleck.
Kapitel siebenundzwanzig
Nachdem die Funken verglüht waren und sich die Asche gesetzt hatte, erwachte der Raum wieder zum Leben.
Vanessa kämpfte sich durch den Kreis der Mädchen und beachtete ihr aufgeregtes Flüstern kaum. Anna rannen die Tränen über ihr weißes Make-up. Vanessa erreichte ihre Freunde, kniete sich hin und begann an den Knoten zu zerren, bis sie alle befreit hatte.
»Es tut mir so leid«, sagte sie. Ihre Gesichter waren von Asche bedeckt. Blaine sah aus, als hätte er geweint, und TJs Wangen waren rot von den Spuren der Knebel. Steffie saß erschöpft mit zusammengesunkenen Schultern da. Sie sagte nichts, sondern umarmte Vanessa und die anderen ganz fest.
Vanessa holte tief Luft und atmete den Duft von Steffies Haaren ein. Sie vergrub die Hand in TJs Locken und spürte, wie sich Blaines schmaler Arm um ihre Schultern legte. Dann riss sie sich los.
Justin!
Er lag auf der anderen Seite des Raums mit dem Rücken zur Wand. Vanessa rannte hinüber und kniete sich neben ihn. Seine Augen waren noch immer geschlossen, und seine Wange war verletzt und geschwollen und fühlte sich heiß an.
»Justin? Kannst du mich hören?« Als er sich nicht regte, schüttelte sie ihn vorsichtig. »Justin!«
Aber er lag noch immer still mit geschlossenen Augen da.
Zwei laute Schläge auf den Boden brachten den Raum zum Schweigen. Alle Köpfe wandten sich zur Tür, wo die Fratelli-Zwillingestanden. Die kastanienbraunen Haare von Nicola waren leicht zerzaust, und der dunkle Eyeliner war quer über ihre Wangen verschmiert. Mit dem Muttermal unter ihrem linken Auge war sie das genaue Spiegelbild ihres Bruders Nicholas. Das Muttermal saß bei ihm auf der rechten Seite und betonte die schwarzen Ringe unter seinen Augen, die offenbar von Müdigkeit herrührten. Er hob die Hand, und seine Schwester tat es ihm nach.
Aber zunächst schwieg er mit geschlossenen Augen.
»Im Namen der Lyrischen Elite«, sagte Nicholas dann, »verhaften wir hiermit alle, die sich in diesem Raum befinden.«
Empörtes Gemurmel war zu hören.
»Können wir das? Können wir Leute verhaften?«, fragte Nicola. »Seit wann denn?«
Nicholas zuckte die Achseln und sagte: »Richtig. Ich meine damit nicht direkt verhaften, sondern eher, dass wir euch in Gewahrsam nehmen … «
»Mein Bruder will damit sagen, dass wir hier sind, um euch zu helfen.«
»Meine Schwester hat recht. Aber wenn irgendeiner von euch ein Komplize von Josef, Hilda oder Zeppelin Gray ist, dann werdet ihr für eure Verbrechen bezahlen.«
Vanessa trat vor. »Leute, das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Wollt ihr damit sagen, dass ihr die Lyrische Elite vertretet?«
»Ja und nein«, antwortete Nicola.
»Die Lyrische Elite ist bisher nicht besonders kooperativ gewesen«, sagte Nicholas und lächelte nervös. »Aber wir haben ihnen immer wieder über Josef Bericht erstattet. Wir wussten, dass hier etwas im Gange war, doch wir konnten es nicht beweisen. Das hat sich heute geändert.«
»Und deshalb ist jetzt ein Vertreter von ihnen zu uns unterwegs«, sagte Nicola.
»Ich weiß nicht, wovon ihr überhaupt sprecht«, sagte Anna Franko. »Was ist die Lyrische …?«
»Die Lyrische Elite ist eine Art geheime Untergrund-Tanzgruppe«, erklärte Nicholas. »Sie ist eine Vereinigung von hingebungsvollen Tänzern, die sich eins geschworen haben: die Menschen vor denjenigen zu schützen, die die Tanzkunst für ihre dunklen Zwecke missbrauchen wollen.« Er machte eine Handbewegung, die den ganzen Raum einschloss. »Zum Beispiel, um einen Dämon heraufzubeschwören.«
»Leute wie Josef nennt man
Nekrotänzer
«, sagte Nicola. »Ich weiß nicht, warum die Bösen immer die schöneren Namen haben.«
»Schön für dich, dass du das witzig findest«, sagte Anna. »Ich rufe jedenfalls jetzt die Polizei.«
»Und dann zeigst du ihnen den Ort, wo Hilda vorhin noch gestanden hat?«, fragte Nicholas. »Und Josefs Leiche? Sie werden glauben, dass wir die beiden umgebracht haben. Ein toller Plan!«
Nicola schüttelte den Kopf. »Die Lyrische Elite hat einen Agenten losgeschickt, der jeden Moment hier eintreffen müsste – Enzo.« Sie hielt ihr Handy hoch. »Er hat uns vom Flughafen aus eine SMS
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