Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
dafür sorgen.
»Hey«, drang eine sanfte Stimme an sein Ohr. »Steh noch nicht auf. Die Beule sieht wirklich böse aus.«
Lee drehte sich um. Nicht weit von ihm saß Maggie auf einem Stuhl, daneben hockten Alasdair und Spencer. Sie alle waren blass und sahen krank aus.
»Wo ist er?«, wollte Lee wissen.
»Jangler ist draußen«, antwortete Alasdair. Er konnte den brutalen alten Sadisten nicht mehr Mainwaring nennen. Das war ein viel zu liebenswürdiger Spitzname für einen Typen wie ihn.
»Geh nicht da raus«, bat Maggie eindringlich. »Die Wärter saufen. Die warten nur darauf, dass einer von uns ausrastet und den alten Sack angreift, damit sie ihn erschießen können.«
»Wenn ich ihm den Kopf abgerissen und über den Zaun gekickt hab, können sie mich von mir aus gerne erschießen. Mir egal. Aber vorher muss ich mich um den Kerl kümmern. Ich muss. Ihr könnt mich nicht aufhalten.« Er rappelte sich auf und schlurfte auf die Tür zu.
»Du kannst nicht mal richtig laufen!«, rief Maggie.
»Ich krieg das schon hin.«
Spencer rannte hinterher. »Das bringt gar nichts! Du weißt, was du machen musst. Wenn du jetzt da rausgehst, dann bringst du dich für nichts und wieder nichts um!«
»Nichts?«, knurrte Lee ihn an.
»Ja! Nichts. Charm würde nicht wollen, dass du jetzt die Flinte ins Korn wirfst. Du bist wütend und willst, dass der Schmerz aufhört. So hab ich mich auch mal gefühlt, aber Marcus hat mich zur Vernunft gebracht. Du musst weitermachen. Du darfst nicht aufgeben. Das schuldest du denen, die es selbst nicht können. Das schuldest du ihr!«
»Geh mir aus dem Weg, Kleiner.«
»Dann musst du mich schon niederschlagen. Wenn du da rausmarschierst und auf Jangler losgehst, bist du in Sekunden tot und hast unsere letzte Chance weggeworfen, es den Typen zu zeigen und vielleicht wirklich was zu verändern. Du weißt, was du zu tun hast, also mach’s auch!«
»Du spinnst doch, wenn du glaubst, dass dieser Plan auch nur ansatzweise eine Chance hat.«
»Ja, ich spinne. Tun wir alle. Es gibt nichts mehr, was nicht verrückt ist! Darum müssen wir es einfach versuchen. Es besteht nämlich doch die Möglichkeit, dass es klappt. Es ist so bescheuert, dass es schon wieder genial ist! Und eine bessere Rache bekommst du nicht. Aber wenn du dich wie ein Sieb löchern lässt, dann ist alles endgültig aus! Hier geht es nicht nur um dich. Hör auf, so egoistisch zu sein! Was wird denn aus uns, aus dem Rest der Welt? Aus den Mädels aus ihrer Hütte, auf die wir für sie aufpassen sollen? Was würde Charm von dir erwarten?«
Lee starrte dem Jüngeren in die Augen. Spencer hatte Angst, aber er hatte auch recht, verdammt! Lee brüllte vor Verzweiflung auf und trat gegen die Wand. Dann löschte er mit einem phänomenalen Kräfteaufgebot und eisernem Willen den brennenden Schmerz, der ihn von innen auffraß. Eis, er musste zu Eis werden, eiskalt sein. Die ganze Wut an einem arktischen Ort tief, tief drinnen vergraben und fortsperren, bis die Zeit reif war. Hier und jetzt musste er einen kühlen Kopf bewahren. Er musste nachdenken.
Mit geschlossenen Augen atmete er ein paarmal tief durch. Sein Kopf pochte und darin herrschte totaler Aufruhr, aber er schaffte es, sich zu beruhigen. »Okay«, wisperte er heiser.
Plötzlich schien der Plan von Mrs Benedict gar nicht mehr so bescheuert und lächerlich. Eigentlich hatte Spencer sogar recht damit: Es war das Einzige, was im Augenblick Sinn ergab.
Lee legte eine Hand auf Spencers Schulter und dankte ihm. »Lass uns das durchziehen«, sagte er grimmig. »Genau das würde sie wollen.« Dann kehrten sie zu den anderen zurück.
»Heute Nacht«, sagte Lee, »türmen wir.«
»Was?«, fragten Maggie und Alasdair wie aus einem Mund.
Da fiel Lee ein, dass er Maggie noch gar nichts von gestern Abend oder dem Treffen mit Mrs Benedict heute erzählt hatte. Er wollte ihr eben eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse geben, als sein Blick auf Alasdair fiel.
»Du vertraust mir noch immer nicht«, stellte der Schotte fest. »Können wir das nicht langsam hinter uns lassen? Ich weiß eh schon, dass ihr irgendwie vorhabt, abzuhauen. Aber weißt du was, ich lass euch gern allein. Allerdings wirst du dann nie erfahren, ob ich nicht schnurstracks zu Jangler marschiere.«
Noch bevor Lee antworten konnte, ertönte von der Wiese draußen die Glocke.
Spencer schaute zur Tür hinaus. »Das ist er. Und er hat das Buch dabei.«
»Zeit für die letzte Lesung des Tages«, hauchte
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