DanDep-StaderVer
dich. An Bel Air bist du auch schon vorbei, dem herausgeputzten, scharf bewachten Nobelviertel, in das keiner reinkommt aus dem nicht ganz so noblen Viertel, wo O. J. Simpson seine Frau und ihren Liebhaber abgemurkst hat (oder aber auch nicht) und wo Ray Bradbury einmal fürs Zufußgehen verhaftet wurde.
Irgendwann kommt dann endlich der Schriftzug, auch wenn er nicht ganz so aussieht wie auf den Fotos. (Was daran liegt, dass der, den man vor Augen hat, der Große, der wirklich Berühmte, tatsächlich ein paar Straßenblocks weiter prangt, am Wilshire Boulevard). Der Schriftzug hier ist bloß die zweite Garnitur, aber zum Glück weißt du das nicht, denn sonst würdest du dir wie ein richtiger Dorftrottel vorkommen. Deine halbwüchsige Tochter, die hinten sitzt, will unter der Schrift geknipst werden. Aber da steht schon ein halbes Dutzend Leute rum, und parken kann man auch nirgendwo, ohne über den Haufen gefahren zu werden oder sich den nächsten Strafzettel einzuhandeln, wie vorhin schon in Westwood. Und deine bessere Hälfte ist müde, sie hat Malaisen mit den Nebenhöhlen. Sind vielleicht die Blumen dran schuld. Du sagst zu deiner Tochter Nein und fährst weiter, und jetzt hasst sie dich. Aber sie hasst dich ja schon, seit ihr zu Hause losgeflogen seid. Sie hasst dich. Deine Frau hasst dich. Du hast Schiss, dich zu verfahren. Du hast einen Stadtplan, aber keiner außer dir will ihn lesen, und du kannst ihn nicht lesen, ohne einen tödlichen Verkehrsunfall zu verursachen oder rechts ranzufahren, und rechts ranfahren geht nicht. Zu viele Autos, die zu schnell unterwegs sind, und die Menschen in diesen Autos hassen dich offenbar auch.
Also fährst du weiter.
Es ist nicht mehr weit bis zum Sunset Strip. Der Lamborghini-Händler könnte ein Zeichen dafür sein, dass es weiter vorn vielleicht doch noch ein bisschen glamouröser wird. Falsch gedacht, die nächste Enttäuschung. Es ist hier genauso wie überall sonst, höchstens noch ein bisschen abgewrackter, wenn man dich fragt. Zu Hause würden dich keine zehn Pferde in so eine Gegend bringen. Du brauchst dir bloß die riesigen Reklamewände anzusehen, ganze Hausfassaden, die unter prallen Brüsten und Ärschen verschwunden sind. Großer Gott! Restaurants, Hotels und Nachtclubs, deren Namen dir halbwegs bekannt vorkommen, rauschen vorbei, aber sie sehen überhaupt nicht so aus, wie du sie dir vorgestellt hast. Da! Da drüben ist das Whiskey a Go Go, wo Jim Morrison und die Doors gespielt haben, auch wenn im Auto keiner außer dir weiß, wer die Doors waren, und selbst wenn sie es wüssten, wäre es ihnen scheißegal. Deine Frau sagt, sie glaubt, du hast den Rodeo Drive verpasst, aber du wirst den Teufel tun und wieder umdrehen, nicht bei diesem Verkehr. Außerdem geschieht's ihr ganz recht, wenn sie den Stadtplan nicht liest. Deine Tochter glaubt, sie hat den Club entdeckt, vor dem der berühmte Jungschauspieler nach einer Überdosis krepiert ist. Sie will anhalten und sich an seinem Sterbeort knipsen lassen. Sie kan n dich mal, du fährst weiter.
Vorbei an den Clubs und Bistros. Vorbei am Chateau Marmont, dem Märchenhotel und Elefantenfriedhof, wo die Stars absteigen, um sich umzubringen. Du fährst weiter, bis du das Gefühl hast, die dubiose Geschichte und der billige Glamour des Strip hätten sich erschöpft, bis die ersten Einkaufszentren und Taco-Buden auftauchen und die Welt wieder uns Normalos gehört. Dann bist du am Laurel Canyon Drive. Gib die Hoffnung nicht auf. Du hast die Geschichte und den Glamour doch noch nicht hinter dir gelassen. Wenn du nach links in den Laurel Canyon abbiegst, kommst du in die Hollywood Hills, wo das Leben in L. A. erst wirklich interessant wird.
Andererseits kann dir das alles auch völlig egal sein.
Weil du, einer von uns Normalos, ein Dutzendmensch, einer aus dem gemeinen Volk, es sowieso nie zu sehen bekommen wirst.
Denn - für den Fall, dass du es bis jetzt noch nicht kapiert hast - das ganze Sinnen und Trachten dieser Welt besteht darin, dich nicht hereinzulassen.
Die Wonderland Avenue windet sich die Ostflanke der Santa-Monica-Berge hinauf, stößt sich vom Laurel Canyon ab wie ein müder und unentschlossener Packesel. Sie ist so steil und kurvig, dass man sich eher auf ihr nach oben schleppt, als dass man fährt, und sogar die wenigen Straßenschilder scheinen alle Hoffnung verloren zu haben. Es gibt so viele unerwartete Abzweigungen, dass jede Wegbeschreibung sinnlos ist, weshalb die beliebtesten Reiseführer
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