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größtenteils darauf verzichten und den Touristen stattdessen den Rat geben, sich mit einem Stadtplan zu bewaffnen und auf ihr Glück zu vertrauen. Aber natürlich ist es gerade die Unübersichtlichkeit, die diese Wohngegend so begehrt macht. Es ist, als lebte man am Ende eines riesigen Parklabyrinths, zu dem nur wenige Auserwählte einen Schlüssel besitzen. Wer hat es nötig, sich in einer bewachten Wohnanlage zu verschanzen, wenn ihn sowieso keiner findet? So entsteht eine abgeschottete Gemeinschaft, eine Gemeinschaft voller Geheimnisse, die sich den Anschein gibt, vollkommen normal und ungezwungen zu sein. Musiker und Schauspieler haben sich hier schon immer wohl gefühlt, gilt doch in dieser Gegend die unausgesprochene Devise »nichts hören, nichts sehen und - vor allem - nichts weitersagen«. Dieses Schweigegelübde hat interessante Auswirkungen. So entwickelte sich die Wonderland Avenue zum Magneten für die Rockrevolutionäre der Sechzigerjahre, die sich dort verkrochen, um ungestört LSD einzuschmeißen, sich durch die Betten zu vögeln und einen Kurswechsel in der Popmusik einzuläuten. Andererseits wurde der Pornostar John Holmes 1981 in der Wonderland Avenue 8763 im Zuge einer aus dem Ruder gelaufenen Drogengeschichte in einen Vierfachmord verwickelt, der so brutal ablief, dass die Wände der Villa hinterher so aussahen, als ob sie mit Blut und Eingeweiden frisch gestrichen worden wären. Abgeschiedenheit hat eben auch Nachteile.
Während Spandau durch das exklusive Wohnviertel fuhr, gingen ihm auch die Wonderland-Morde durch den Kopf. Er dachte an seine Kindheit und Jugend in Arizona, wo man davon träumte, mit harter Arbeit genug Geld zu verdienen, um sich ein Haus in einer sauberen, sicheren Nachbarschaft leisten zu können. Eine Welt, wo man sich mit seinem Einkommen davor absichern konnte, dass man nicht von Gesindel umgeben war. Eine Welt, wo in die große teure Villa nebenan ein Arzt oder Anwalt einzog, kein erfolgreicher Drogendealer oder Pornostar, keine hypernervöse, psychotische Räuberbande. In L. A. dagegen wusste man das nie so genau. Das kleine Häuschen mit dem weißen Gartenzaun könnte einem neuen Charles Manson gehören, der nur darauf wartete, den Namen seines Nachbarn in Blut an die Wände zu schmieren.
Spandau war die Wonderland schon oft raufgefahren. Der Trick bestand darin, sich immer stur rechts zu halten. Oben wurde die Straße etwas flacher, und man konnte aus einer Handvoll großer, aber fest verschlossener Tore wählen. Spandau hielt neben den Pfosten mit der Sprechanlage vor Bobby Dyes Einfahrt an. Er drückte auf einen Knopf und hielt sein Gesicht in die Kamera. Und wartete, während man zu dem Schluss kam, dass es sich bei einem Mann im Armani-Anzug, der einen nagelneuen BMW fuhr, vermutlich nicht um den neuen John Wayne Gacy handelte. Aber man konnte eben nie wissen. Brummend öffnete sich das Tor. Spandau fuhr hindurch und parkte vor der Garage. Er warf einen Blick auf den Porsche und die Harley, die beide unbenutzt aussahen. Fast konnte ihm der Typ leid tun, der so schönes Spielzeug besaß und nie die Gelegenheit hatte, damit zu spielen. Spandau ging zum Haus hinauf.
Bobby Dyes Haus - das er auf Anraten seines Steuerberaters nicht gekauft, sondern nur zu einem exorbitanten Preis gemietet hatte - thronte auf einem Felsvorsprung, der wie die Kühlerfigur eines 1950er Pontiac über den Abgrund ragte, das vorspringende Kinn über die ausgedörrten Ebenen von Los Angeles gereckt. Es war ein Massivholzhaus mit viel Glas und hohen Decken, in den Sechzigerjahren von einem Rockstar erbaut, der am liebsten irgendwo in einer Blockhütte gehaust hätte, aber gewitzt genug war, seinen Manager und seine Plattenfirma lieber nicht aus den Augen zu lassen. Herausgekommen war ein Gebäude, das ein Gast mal eine »Hippie-Walhalla« genannt hatte. Spandau fand, dass es seinem Namen alle Ehre machte. Rings um das Haus verlief eine Terrasse, nicht gerade eine geniale Idee in Sachen Einbruchssicherheit, aber eine, der man einige spektakuläre Ausblicke verdankte. Spandau hätte zu gern gewusst, wie viele Leute wohl schon im Suff von der Terrasse in die Büsche gekippt waren. Wenigstens war sie nicht sehr hoch, so dass man sich nicht das Genick brechen konnte, es sei denn, man landete unglücklich oder rollte einfach weiter den Hang hinunter. Er ging bis zum Rand und sah sich den hinteren Teil des Hauses an. Über eine lange Holztreppe ging es zu einem Pool und einem Umkleidehäuschen.
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