Danger - Das Gebot der Rache
Mitarbeiter der Spurensicherung mögliches Beweismaterial aufsaugte. Ein Fotograf war noch damit beschäftigt, aus allen möglichen Blickwinkeln Fotos von den Leichen und der Umgebung zu schießen, ein anderer machte Aufnahmen mit einer Videokamera. Lichter zuckten und boten flüchtige Blicke auf die schimmeligen Innenwände, die mit dunklen Rinnsalen überzogen waren: Feuchtigkeits- und Schmutzflecken, verursacht von dem seit Jahren durch das marode Dach sickernden Regenwasser.
»Gemütlich, nicht wahr?«, spöttelte Montoya. »Hätte er sich einen makabereren Ort aussuchen können?«
»Vermutlich nicht.«
Montoya ging in die Hocke und nahm das Sperrholzrad genauer unter die Lupe. »Das Ding muss irgendwer angefertigt haben«, sagte er schließlich. »Das kriegt man nicht einfach im hiesigen Baumarkt!«
»Oder bei eBay.«
»Dann verfügt unser Mörder also über eine Werkstatt und einen Transporter, um das Ding hierherzuschaffen, oder er hat es gleich vor Ort gebaut. Vielleicht hat er es aber auch jemandem abgekauft, der ein Händchen für die Fertigung von Folterinstrumenten besitzt.« Montoya beugte sich weiter hinunter und drehte dann den Kopf nach oben, während er die Taschenlampe auf die Radunterseite richtete.
»Ich wette, er hat es hier gebaut. Schließlich ist die Mühle völlig abgelegen. Er hat ein paar kräftige Sperrholzplatten zurechtgesägt, Löcher gebohrt und die größten Nägel eingesetzt, die er finden konnte, dann hat er das verdammte Ding auf irgendeinem drehbaren Untersatz befestigt.«
»Sieht aus wie eine alte Auswuchtmaschine, du weißt schon, so eine, wie man sie beim Reifenwechsel in den Autowerkstätten verwendet.«
»Dann muss man sie also nur anstoßen, und schon fängt das Rad an, sich zu drehen.« Bentz gesellte sich zu Montoya, der immer noch das Gestell anstrahlte: eine Achse, festgeschraubt auf einem Betonblock. Metallschienen trugen das blutverschmierte Sperrholzrad. Bentz’ Kiefer spannte sich an. »Dann ist er also ein Handwerker.«
»Wieso kennst
du
dich eigentlich mit so etwas aus?«, fragte Montoya.
»Weil ich schon mal etwas Ähnliches gebaut habe. Anstelle von Nägeln hatte mein Rad Haltestifte und wurde beim Karnevalsfest in der Schule eingesetzt, als Kristi zehn war. Die Kinder haben das Rad gedreht, um einen kleinen Preis zu gewinnen: Trillerpfeifen, Luftballons, Spielzeuglaster und anderes nutzloses Zeug.«
»Wie bei ›Der Preis ist heiß‹
.
«
»Ja, oder wie beim ›Glücksrad‹, so wurde es auch in der Schule genannt.«
»Die schöne ›Glücksrad‹-Assistentin wäre stolz auf dich.«
»Wenn du meinst«, sagte Bentz, aber er lächelte nicht. »Hier haben wir leider ein verdammtes Schmerzrad.«
»Gefertigt von einem handwerklich geschickten Priester.«
»Der ebenso leicht an Baumaterial kommt wie an Heiligenmedaillons.« Bentz richtete sich auf, streckte sich und bemerkte einen großen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Das Glas war glatt und ohne Splitter, auf der Oberfläche lag kaum Staub, anders als auf sämtlichen anderen Oberflächen, die mit einer dicken, körnigen Schicht bedeckt waren. »Was ist hiermit?«, fragte er, aber er kannte die Antwort, noch bevor er die Worte ausgesprochen hatte. »Unser Junge sieht sich selbst gern bei der Arbeit zu.«
»Scheiße«, sagte Montoya, der nun ebenfalls den Blick auf den Spiegel gerichtet hatte. »Du hast recht. Er ist ein verdammter Egomane.«
»Oder ein Narziss. Ist der Spiegel auf Fingerabdrücke untersucht worden?«
»Selbstverständlich«, sagte eine Beamtin in Latexhandschuhen derart entrüstet, als hätte Bentz sie und ihr Team beschuldigt, ungenau zu arbeiten. »Alles ist gründlichst erfasst worden.« Sie murmelte etwas über »Großstadtpolizisten« und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
Bentz kümmerte sich nicht weiter darum. »Versuchen wir herauszufinden, wer den Spiegel hergestellt hat«, sagte er zu Montoya. »Vielleicht stoßen wir so auf jemanden, der ein solches Teil im letzten Monat gekauft hat. Das Gleiche machen wir bei dem Zubehör für das Rad und den Heiligenmedaillons – einige von den anderen sind sehr geläufig, aber woher bekommt man schon ein Medaillon der heiligen Katharina von Alexandrien?«
»Vielleicht übers Internet oder in einem der Geschäfte mit diesem religiösen Krempel.« Montoya strich sich über sein Ziegenbärtchen. »Die Auswuchtmaschine könnte aus einer der hiesigen Autoreparaturwerkstätten stammen. Vielleicht wird irgendwo eine vermisst.
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