Danger - Das Gebot der Rache
Selbsthass gewesen war. Warum? Weil sie alles versaut hatte. Sie hatte sich mit ihrem Schwager eingelassen, der noch dazu ein Priester war, war schwanger geworden und hatte jahrelang mit einer Lüge gelebt. Wer würde da nicht durchdrehen? Doch was weitaus schlimmer war: Jahre später hatte Jennifer erneut etwas mit Vater James angefangen. Als wäre er eine verbotene Frucht, von der eine unwiderstehliche Anziehung ausging. Kein Wunder, dass sie zum Psychiater gegangen war und ihr Vater seinen Kummer im Alkohol ertränkt hatte! Dann war es zu dem Zwischenfall gekommen, bei dem Bentz ein Kind erschossen hatte in der Annahme, er könne nur dadurch seinen Partner retten. Das war in L. A. passiert. Genau wie alles andere.
Sie waren anschließend nach Osten gezogen. Nach New Orleans. Der einzige Ort, an dem ihr Vater wieder Arbeit als Detective gefunden hatte. Manchmal wünschte sich Kristi, sie würden irgendwo im Landesinnern leben – in Kansas oder Oklahoma – und ihre Mom wäre noch am Leben und würde ihre Erfüllung in der Gartenarbeit finden und ihr Dad würde Versicherungen oder Immobilien verkaufen und sie würden leben wie ganz normale Leute. Würden in einem hübschen zweigeschossigen Haus mit Gartenzaun, einem Hund und einer Katze wohnen, und sie, Kristi, hätte einen großen Bruder, der auf sie aufpasste, und eine jüngere Schwester, der sie sich anvertrauen und mit der sie streiten konnte. Auf der Terrasse stünde ein Grill und vielleicht eine dieser altmodischen Hollywood-Schaukeln und … Sie riss sich von ihrem Tagtraum los.
Nun komm mal wieder auf den Boden!
Kristi blickte zu dem Mann hinüber, der sich selbst als ihr Vater bezeichnete. Sorgenfalten breiteten sich um seine Augenwinkel aus, und er blinzelte konzentriert in den dichten Verkehr. Seine Lippen waren zusammengekniffen, und Kristi wusste, dass er an den Fall dachte. Nicht, dass sie ihm das zum Vorwurf machen konnte.
Alles in allem war er kein schlechter Kerl – für einen paranoiden Ex-Alkoholiker von der Mordkommission.
Der Erwählte war außer sich.
Sein Kopf dröhnte, als wollte er explodieren.
Keine noch so große Anzahl an Gebeten, kein Geißeln konnte ihn beruhigen.
Nackt und zitternd stand er an dem kleinen Tisch in seinem Heiligtum und blätterte voller Sorge durch die Seiten seines Buches, dann schaukelte er verzweifelt auf den Fersen auf und ab. Sein Herz pochte, sein Hirn stand in Flammen. Der Gedenktag der heiligen Olivia war im Juni … nein, das würde nicht funktionieren. Er konnte nicht so lange mit dem Opfer warten, und Olivia war nicht mal von der Kirche heiliggesprochen … nein, nein … Er begann zu schwitzen. Sein Puls raste. Dann war da noch Oliva … Gedenktag am fünften Mai, nein, nein … Der Sturm in seinem Kopf toste, und er holte tief Luft …
Beruhige dich.
Denk rational.
Die anderen Opfer hatten auch nicht die Namen der Heiligen getragen, zu denen er sie gemacht hatte.
Nein. Er hatte sie umbenennen müssen.
Er würde an seiner ursprünglichen Methode festhalten und Olivia einen angemessenen Namen verleihen. Das war alles. Er verspürte Verwirrung. Seine Mission erschien ihm plötzlich unklar. Manchmal zweifelte er an sich selbst … wenn er doch nur jemanden hätte, dem er sich anvertrauen konnte! Er hatte seinen Lehrling gehabt und bei ihm den Trost des gemeinsamen Austauschs gefunden. Aber das war jetzt vorbei, und er musste auf seinen Glauben zurückgreifen … wenn die Zweifel unerträglich wurden, konnte er immer noch beichten. Und er musste sich keine Sorgen machen, entdeckt zu werden.
Er schloss die Augen und schickte ein kurzes Gebet gen Himmel, in dem er um Klarheit ersuchte. Das war es, was er jetzt brauchte. Seit seinem letzten Opfer hatte es ihm an Klarheit gemangelt. Das Ritual an sich hatte ihm jene gottähnliche Erfahrung beschert, die er jedes Mal machte, doch danach war er – viel zu schnell diesmal – in die schwarzen Tiefen der Verzweiflung abgeglitten, hatte sogar seine Mission in Frage gestellt.
Er versuchte, sich die Szene noch einmal vor Augen zu rufen, stellte sich das Gesicht der heiligen Katharina von Alexandrien vor, als er sein Schwert erhob – aber selbst das versetzte ihn nicht in Euphorie oder Erregung. Wegen dieser Frau. Olivia. Sie kam ihm näher. Er konnte sie spüren. Sehen. Sie wollte ihn aufhalten.
Das ist ein Test. Gott gibt einem stets eine Herausforderung, du darfst, was deine Mission anbetrifft, nicht ins Wanken geraten!
»Du musst
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