Danger - Das Gebot der Rache
Olivia versuchte, es zu ignorieren, bemerkte sie ein leichtes Knistern zwischen ihnen, wann immer er sie anschaute. Es war beinahe so, als läge eine unausgesprochene Mitteilung in seinem Blick – eine ungestellte Frage, eine Frage, die sie mit Sicherheit erschrecken würde.
Er war ein Priester, um Himmels willen! Sie konnte in Vater James McClaren nichts anderes sehen als einen Mann Gottes. Sie
durfte
nichts anderes in ihm sehen.
Erst der Cop, jetzt der Priester.
Auf keinen Fall. Sie saß an einem Ende von Grannie Gins zerschlissener Couch, er am anderen. Sarah hatte ihre Schuhe abgestreift, die Füße unter sich gezogen und wiegte sich in Grannies altem Schaukelstuhl, so entspannt, wie sie es seit ihrer Ankunft auf Olivias Veranda noch nicht gewesen war.
Olivia dachte an die Worte ihrer Freundin – wie es wohl wäre, mit einem Priester ins Bett zu gehen.
Du liebe Güte, du hast doch gerade erst mit Bentz geschlafen!
Sie fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, doch es gelang ihr, dem Gespräch zu folgen, das sich jetzt Sarah und ihrem Leben in Tucson zuwandte. Sarah gestikulierte ausladend beim Sprechen und erklärte, dass Olivia und sie zusammen einen Laden besessen hatten und es nicht mehr das Gleiche sei, seit Olivia nach Louisiana zurückgekehrt war.
Das war ein guter Zeitpunkt, Sarah zum Reden mit James allein zu lassen. Olivia entschuldigte sich und nahm die Teller mit. Sie wies jegliches Angebot, ihr in der Küche zu helfen, zurück und behauptete, dass sie allein schneller sei.
Sarah leistete keinen großen Widerstand, und als Olivia später einen Blick durch den Durchgang riskierte, bemerkte sie, dass sich Sarah auf die Couch gesetzt hatte, ins Gespräch mit Vater James vertieft, und sich die Augen mit einem Taschentuch tupfte. Gut.
Olivia spülte, trocknete ab und räumte die Teller fort, dann wischte sie über Anrichte und Tisch und fegte sogar den Fußboden. Über die leise Musik hinweg hörte sie Sarah reden. Ihre Worte klangen abgehackt von Schluchzern, dann ertönte Vater James’ tiefere, ruhigere Stimme. Olivia faltete die Hände und schickte ein Gebet gen Himmel, dass Sarah irgendwie mit ihrer Ehe und Leo, diesem Mistkerl, ins Reine kommen würde.
Sie wollte den beiden gerade einen Digestif anbieten, als das Telefon klingelte. Einen Herzschlag lang dachte sie, Bentz würde wieder anrufen. »Hallo?«
»Hallo, Liebling.« Sie erstarrte. Erkannte die Stimme. Ihr Herz versteinerte. Was sollte sie ihrem Vater sagen? »Ich wollte dir nur ein frohes Thanksgiving wünschen.«
»Dir auch ein frohes Fest«, brachte sie hervor, obwohl sie nicht sicher war, dass sie ihre Worte auch so meinte.
»Ich habe heute leider keine Zeit, bei dir vorbeizuschauen, und du bist sicher beschäftigt, aber eines Tages, Livvie, müssen wir uns mal wiedersehen und an die alten Zeiten anknüpfen. Ich bin jetzt ein Mann Gottes. Ein Geistlicher. Du kannst mit mir reden.«
»Es gab keine alten Zeiten, Reggie.« Sie musste diese Vater-Tochter-Geschichte unbedingt im Ansatz ersticken.
»Siehst du? Genau das meine ich. Wir müssen einige verflucht tiefe Täler überbrücken, Liebling.«
»Bitte nenn mich nicht so. Du kannst Olivia zu mir sagen.«
Ungehalten, dass er sie am Feiertag gestört hatte, sagte sie: »Für einen Geistlichen fluchst du ziemlich viel, Reggie.«
»Vielleicht gehöre ich ja der Kirchengemeinde ›Wir nehmen kein Blatt vor den Mund‹ an. Jedenfalls hab ich bloß angerufen, um dir ein frohes Fest zu wünschen.« Sie spürte, dass er auflegen wollte, und bereute ihre harschen Worte. Immerhin war Thanksgiving.
»Warte«, sagte sie. »Ich, ähm, hoffe, du verbringst einen schönen Tag.« Noch mehr Mühe konnte sie sich nicht geben.
»Das tue ich,
Olivia.
«
»Reggie? Ich würde dir gern noch eine Frage stellen«, sagte sie. Wenn er schon anrief, konnte sie auch ihren Nutzen daraus ziehen. »Ich bin ein paar alte Sachen von Grannie Gin durchgegangen und darauf gestoßen, dass ich einen älteren Bruder habe. Bernadette hat’s zugegeben, aber sie konnte mir nicht sagen, wo er sich aufhält oder ob er überhaupt noch am Leben ist. Ich dachte, du wüsstest vielleicht etwas.«
»Nun, wenn das nicht dem Fass den Boden ausschlägt! Dreißig Jahre kein Wort über das Kind, und jetzt gleich zweimal an einem Tag! Ich weiß nicht mehr, als ich diesem Detective erzählt habe, der die Frechheit hatte, mich an Thanksgiving nach New Orleans zu schleifen. Ich hab ihm alles gesagt, was ich weiß, und
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