Danger - Das Gebot der Rache
Bekenner war wieder am Apparat. Die Uhr an der Wand tickte, die Sekunden verstrichen. Schweiß brach ihm aus, und er hielt den Hörer fest umklammert. »Was kann ich für Sie tun, mein Sohn?«, brachte er schließlich heraus.
»Ich … ich … muss meine Mission erfüllen … aber manchmal quälen mich Zweifel.«
»Wir alle hegen Zweifel. Was ist Ihre Mission?«
»Sie ist mir von Gott auferlegt. Ich soll die Heiligen finden. Dafür sorgen, dass sie in den Himmel kommen.«
O nein. Das darf doch nicht wahr sein.
James sackte in sich zusammen. Sprach er tatsächlich mit dem Serienmörder? Dem Killer, den Bentz zu finden versuchte? »Es liegt nicht an Ihnen zu entscheiden, wer heiliggesprochen wird«, sagte er vorsichtig.
»Aber Gott hat mich erwählt, sie ausfindig zu machen und Ihm darzubringen!«
Die Härchen in Vater James’ Nacken sträubten sich. »Sie müssen sein Wort falsch verstanden haben. Es ist Sünde, ein Leben auszulöschen. Bedenken Sie: ›Du sollst nicht töten‹ ist eins der Zehn Gebote. Gott würde niemals eine Sünde von Ihnen verlangen.«
»Er spricht zu mir, Vater. Sagt mir, wen ich erwählen soll. Es ist Sein göttlicher Wille. Diese Beichte, Vater, bleibt unter uns beiden. Was ist meine Strafe?«
James’ Herz raste, seine Gedanken schwirrten. Doch er hatte die Antwort auf diese Frage wohl überlegt. »Ihre Strafe, mein Sohn, wird sein, den Rosenkranz zu beten und sich den Behörden zu stellen.«
Es folgte eine lange Pause. James dachte schon, der Kerl habe aufgelegt, als er im Hintergrund Musik vernahm – leise Klänge eines Chors. Nein … es war ein Weihnachtslied, eine Instrumentalversion von »Stille Nacht«. Bei dem Gedanken drehte sich James der Magen um.
»Den Rosenkranz beten?«, wiederholte der Büßer schließlich. »Ich soll den Rosenkranz beten?«
»Ja, und nie wieder töten. Stellen Sie sich der Polizei.«
»Damit man mich dafür einsperrt, dass ich mich Gottes Willen gefügt habe? Damit Sie nicht die Last meiner Beichte tragen müssen? Das Ganze hier ist eine Sache zwischen Ihnen, Gott und mir. In seiner Stimme war ein Anflug von Zorn zu vernehmen.
»Damit Sie nicht wieder sündigen. Das ist Ihre Strafe. Sie müssen sich …«
Klick.
Die Leitung war tot. James schloss die Augen und ließ den Kopf in die Hände sinken. Er hatte versagt. Der Killer würde weitermorden. Im Namen Gottes.
Und James konnte nichts dagegen tun.
Montoya wartete schon auf Bentz, als dieser am Freitagmorgen im Büro eintraf. Sein Gesichtsausdruck sagte alles. Es gab keine guten Neuigkeiten. Montoya sah schrecklich aus. Zwar trug er seine übliche Lederjacke mit der schwarzen Jeans, aber seine Haare waren ungekämmt, sein Ziegenbärtchen ungetrimmt, und von seinem sonst so übermütigen Lächeln war keine Spur zu sehen.
»Geht es dir gut?«
»Prima«, bellte er.
»Aber …«
»Ich hab doch gesagt, es geht mir prima.« Seine dunklen Augen blitzten, seine Kiefer waren fest aufeinandergepresst, und jeder einzelne Muskel seines Körpers war angespannt, als wappnete er sich gegen einen Kampf. Als Bentz seinen Mantel aufhängte, lehnte sich Montoya gegen den Aktenschrank. »Drei Frauen sind Montagabend vermisst gemeldet worden. Eine ist wieder nach Hause gekommen – sie hatte bloß Streit mit ihrem Mann und den Söhnen im Teenageralter und sich eine kleine Auszeit genommen. Die zweite gilt weiterhin als vermisst, aber die dritte, Leslie Franz, ist vermutlich das Opfer, das wir auf dem Rad gefunden haben. Sie ist verheiratet, hat keine Kinder, unterrichtet an einer Vorschule, und jetzt halt dich fest: Ihr Mann ist Professor an der Tulane.«
»Lass mich raten – sie war Teilzeitstudentin.«
»Bingo.«
Bentz’ Backenzähne malmten. Er dachte an Kristi, die zu Hause im Bett lag. »Bislang keine positive Identifizierung?«
»Das ist nur eine Frage der Zeit.« Montoya deutete auf Bentz’ Computer. »Ich habe die Fotos von der Abteilung für vermisste Personen hochgeladen. Sie hat zwei Tattoos. Eins am rechten Knöchel, das andere auf der linken Schulter.«
»Ach.«
»Ja. Einen Delphin und ein Kreuz.«
Während Bentz vor dem Computer Platz nahm, ging Montoya zum Fenster, die Hände in die Vordertaschen seiner Jeans gesteckt, die Augen auf den trüben Tag draußen gerichtet. Graue Wolken hingen über den Dächern der Gebäude, Regen schlug gegen die Scheibe.
Bentz fand die entsprechende Datei und öffnete sie. Die heilige Katharina von Alexandrien lächelte ihn an. Sie hielt
Weitere Kostenlose Bücher