Danger - Das Gebot der Rache
sich am Fockmast eines Segelschiffs fest, ihr blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, ihr Lächeln so strahlend wie das Sonnenlicht, das das blaue Wasser glitzern ließ. Bentz’ Eingeweide verkrampften sich.
»Wieder hat jeder, der sie kennt, ein wasserdichtes Alibi, zumindest scheint es bislang so. Bertrand, ihr Mann, ist schon älter, geht auf die fünfzig zu. Leslie ist seine zweite Frau. Die erste ist ebenfalls Professorin, sie unterrichtet am All Saints.«
Bentz runzelte die Stirn. Verdammt!
»Dort hat er auch Frau Nummer zwei kennengelernt. Leslie Jones war noch im Grundstudium. Großer Skandal. Bertrand ließ sich von seiner ersten Frau scheiden, heiratete Leslie und nahm eine Stelle im Fachbereich Psychologie an der Tulane an.«
»Bei Dr.Leeds.« Bentz gefiel das gar nicht. Er griff in die oberste Schreibtischschublade und zog eine halbvolle Schachtel Tabletten gegen Sodbrennen hervor.
»Als er Leslie heiratete, war der alte Bert achtundvierzig und sie genau halb so alt wie er.«
Bentz warf sich zwei Säurehemmer in den Mund und spülte sie mit einem Schluck Kaffee von gestern herunter. »Wir müssen seine Ex-Frau überprüfen, obwohl ich keine Ahnung habe, wie sie in die Sache verwickelt sein könnte.«
»Ich hab bereits damit angefangen. Sie heißt Nancoise, und sie hat jede Menge Referenzen. Alle möglichen Auszeichnungen, Forschungsstipendien und so. Dass sie was mit unserem Fall zu tun hat, wäre ziemlich weit hergeholt.«
»Erinnerst du dich an den Typen, der das Buch über die Scarsdale-Diät geschrieben hatte? Er wurde von einer gehörnten Geliebten erschossen, die Direktorin an einer piekfeinen Schule war. Das wäre also nichts Neues. Wie hat der englische Dramatiker William Congreve gesagt: ›Die Hölle selbst kann nicht wüten wie eine verschmähte Frau.‹«
»Da ist was dran.« Montoya fuhr sich über sein Ziegenbärtchen und blickte weiter durch die Scheibe. Geräusche drangen aus dem Großraumbüro durch die leicht geöffnete Tür zu ihnen herein: Telefonklingeln, Stimmengemurmel, ab und zu brüllte jemand etwas.
»Was liegt dir noch auf der Seele?«, fragte Bentz und lehnte sich zurück. »War der Truthahn schlecht? Feiertagsdepressionen? Was ist los?«
Montoyas Kiefer mahlten. »Ärger mit Frauen.«
»Was? Das kann ich kaum glauben,
Diego.
«
»Glaub’s einfach«, sagte Montoya grimmig. Ein Muskel zuckte an seiner Schläfe, seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Diese zweite Frau, von der ich gesprochen habe, die, die noch vermisst wird …«
»Ja?«, hakte Bentz nach. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl.
»Sie ist meine Freundin. Marta Vasquez. Ich habe die Anzeige aufgegeben. Wir hatten am Montagabend bei mir eine Auseinandersetzung. Sie ist anschließend nicht zu Hause angekommen. Hat sich ins Auto gesetzt und ist wie eine Furie davongerast. Seitdem hat niemand sie oder ihren Camaro gesehen.« Er warf einen Blick über die Schulter. Seine dunklen Augen hatten ihren Glanz verloren. »Ich bin der Letzte, der sie gesehen hat, und ich habe keinen blassen Schimmer, wo sie sein könnte. Und das Schlimmste ist, dass sie Abendkurse an der Loyola besucht.«
Bentz blickte von seinem Schreibtisch auf und winkte Olivia herein. Er zeigte nicht mal den Anflug eines Lächelns, und der kleine Funke Hoffnung, den sie gehegt hatte, er würde sich freuen, sie zu sehen, erlosch.
»Hi«, sagte sie, gerade als das Telefon klingelte. Er nickte ihr zu und nahm den Hörer ab. »Bentz.« Sein Gesicht verfinsterte sich, und er bedeutete Olivia, dass er in ein, zwei Minuten für sie da wäre. Dann drehte er seinen Schreibtischstuhl so, dass er mit dem Rücken zu ihr saß, und führte sein Gespräch, bei dem er nur knappe Antworten gab: »Nein … noch nicht … warte auf die Autopsie … Ja, noch Hoffnung … bislang kein Glück … bis zum Hals in dieser Scheiße … Ich werde sehen, was ich tun kann …«
Sein Büro sah genauso aus wie bei ihrem ersten Besuch – war der etwa erst eine Woche her? So vieles war passiert! Das Durcheinander auf seinem Tisch war noch da – Akten, Post, Zettel mit gekritzelten Notizen –, genau wie der Rahmen mit den beiden Fotos von seiner Tochter. Er hatte das Fenster einen Spaltbreit geöffnet. Von draußen drangen der Verkehrslärm und eine kühle Novemberbrise herein.
»… rufe an, sobald ich etwas höre. Ja … du hast’s erfasst … du auch.« Bentz drehte sich auf seinem Stuhl herum und legte auf.
»Wie geht es
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