Danger - Das Gebot der Rache
alleinerziehend bist.«
»Paranoid?«
Das Telefon klingelte, und Kristi schnellte hoch.
Sie dachte daran, dass sie Brian die Nummer gegeben hatte. Es konnte aber auch Jay sein. Mit einem hastigen »Hallo?« nahm sie den Hörer ab.
Schweigen. Dann: »Kristi?«
»Ja?«
»Hier spricht Onkel … hier spricht James.«
Ihr wurde schlecht. Ihr leiblicher Vater. Der Priester. Dads Bruder. Sie blickte zu ihrem Dad hinüber. Bentz starrte sie an. »Hi«, brachte sie heraus. »Wie geht es dir?«
»Ich wollte dir nur ein frohes Thanksgiving wünschen.«
»Oh. Ja, richtig. Ich dir auch.« Ihre Gedanken rasten. Wie konnte sie das Gespräch beenden? Sie wollte nicht mit ihm reden. Sie hatte ihm einst vertraut. Als sie gedacht hatte, er sei »Onkel James«, und nicht verstand, warum sich Rick seinem Bruder gegenüber so abweisend verhielt, warum bei seinem Anblick Eifersucht in Ricks Augen aufflackerte. Jetzt wusste sie es, und sie wollte nicht mit ihm reden. Was sie anbelangte, so war Bentz ihr Vater. Selbst während der schlechten Zeiten, als er an der Flasche hing, hatte sie keine Sekunde bezweifelt, dass er sie liebte. Ja, er konnte sie in den Wahnsinn treiben, daran bestand kein Zweifel, aber galt das nicht für alle Väter? Dieser Mann dagegen – James – war ein Schleimer, ein echtes Arschloch. Sie wollte ihn nie wiedersehen. Doch jetzt war er am Telefon, und seine Stimme klang so verdammt ruhig und gelassen, dass sie hätte kotzen können.
»Ich würde dich gern sehen«, erklärte er. »Ich habe gestern mit deinem Dad – meinem Bruder – gesprochen, und er hat mir geraten, dich nicht zu bedrängen, aber ich wollte dir trotzdem sagen, dass ich an dich und ihn denke und euch in meine Gebete einschließe.«
»Wie schön. Vielen Dank.« Sie legte schnell auf und stellte fest, dass ihre Handflächen feucht geworden waren. Ihr Herz raste.
»Jay?«, fragte Bentz, doch sie schüttelte den Kopf und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
»Vater McClaren.«
»Verflixt! Ich habe ihm doch gesagt, er soll nicht …« Bentz verstummte.
»Er wollte uns beiden bloß ein frohes Thanksgiving wünschen.«
»Aha.«
»Es ist merkwürdig. Ich meine, total abgefahren. Wir müssen doch die gestörteste Familie auf dem ganzen Planeten sein!«
Bentz lachte und warf seine Serviette auf den Teller. »Wir zählen nicht mal zu den Top Ten in dieser Stadt. Immer, wenn ich denke, ich hätte alles gesehen, kommt etwas Neues daher. Glaub mir: Unsere Familie bewegt sich im absoluten Normbereich.«
Das war schwer zu glauben. »Das liegt nur daran, dass du es ausschließlich mit Verbrechern zu tun hast.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung.«
Kristi nahm ihm das nicht ab. Sie half Rick, den Tisch abzuräumen und dicke Stücke von der Pie zu schneiden, aber sie wusste, dass ihre Familie alles andere als normal war – ganz egal, was Bentz behauptete.
Nachdem Kristi aufgelegt hatte, hielt James noch ein paar Sekunden den Hörer in der Hand und ging im Geiste ihr Gespräch durch. Ja, es war kurz gewesen, aber er hatte auch nichts anderes erwartet.
Das braucht Zeit,
sagte er sich.
Er wohnte in einem kleinen Haus einen Block weit von St. Lukas entfernt, und er überlegte, ob er früher zur Kirche hinübergehen und mit Monsignore O’Hara reden sollte.
Vater James, den so viele Menschen um Rat ersuchten, brauchte jemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Es gab einige Probleme, denen er sich stellen musste.
An erster Stelle stand Kristi. Sein Kind. Einst hatte er das Priesteramt aufgeben, Jennifer heiraten und Kristi als seine Tochter anerkennen wollen. Nachdem ihm das missglückt war, hatte er gehofft, zumindest eine Beziehung zu ihr aufbauen zu können. Sie hätte nicht erfahren müssen, dass er ihr Vater war, und er hätte die Rolle eines Onkels übernehmen können.
Er wollte Rick nichts fortnehmen. Bentz hatte seine Sache mit Kristi gut gemacht. Mehr als gut. Eine Tochter allein großzuziehen war keine leichte Sache.
Und dann war da noch Olivia.
James ging zu seinem Schreibtisch und zog seine Bibel hervor. Sie hatte seiner Mutter gehört, und er fand Trost in den vielen Seiten. Wo war der Absatz, den er suchte? Er blätterte gerade durch die Sprüche Salomons, als das Telefon klingelte und ihn aufschrecken ließ.
Er nahm den Hörer ab, doch seine Augen glitten weiter über die Seiten, suchten nach den Versen, die ihm Frieden schenken würden.
»
Vergib mir, Vater …«
James rührte sich nicht. Der mitternächtliche
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