Danger - Das Gebot der Rache
Bentz lachte.
Die entsetzte Kellnerin, deren Fingern das Tablett offensichtlich entglitten war, schnappte nach Luft, während der Barkeeper, ein riesiger Schwarzer, ihr ein Handtuch zuwarf und ein Hilfskellner zu einem Kämmerchen eilte, um Eimer und Wischer zu holen. »Sehr geschickt«, murmelte Bentz amüsiert.
»Das Mädchen ist jetzt bestimmt traumatisiert.«
»Sie wird darüber hinwegkommen. Mir ist mal das Gleiche passiert. Bei meinem ersten Job, als ich noch auf der Highschool war. Ich hab das Tablett nicht nur fallen lassen, sondern die Getränke über sechs Gäste des Country Club verteilt. Die Damen waren allesamt in Seide gekleidet, glaub ich. Wie dem auch sei, es war mein erster und letzter Arbeitstag dort. Mein Gott, das hatte ich schon ganz vergessen.« Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche.
Olivia mochte sich Bentz nicht als tolpatschigen Teenager oder irgendetwas anderes als den Detective vorstellen, der er war. »In zwei Schritten vom Hilfskellner zum Polizisten?«
»Nicht unbedingt.« Er kniff leicht die Lippen zusammen. »Ich habe durchaus meinen Teil an Misserfolgen auf dem Weg dorthin hinter mich bringen müsssen.«
Er ging nicht näher darauf ein, und Olivia fragte sich unweigerlich, ob der Grund dafür, dass er alkoholfreies Bier trank, mit einem dieser Misserfolge zusammenhing. Der Kellner brachte eine doppelte Portion Shrimps, die in kleinen Eimern serviert wurden, und zwei Körbe voll Pommes. Die Shrimps waren feuerrot, die Pommes frites wie versprochen spiralförmig und mit einem scharfen, salzigen Gewürz überzogen. Bentz stellte seinen Eimer auf ein papierbedecktes Tablett, brach einem Shrimp den Kopf ab und pulte ihn, dann warf er die Schale mit den Beinchen zurück in den Eimer und steckte sich das Fleisch in den Mund.
Olivia folgte seinem Beispiel, und schon bald waren ihre Finger verschmiert mit der Flüssigkeit von den Shrimps und voller Fett und Gewürze von den Pommes frites.
Genau wie Bentz versprochen hatte, war das Essen phantastisch. Vielleicht war doch mehr an dem Mann, als sie im ersten Augenblick gedacht hatte. Vielleicht verbarg sich in dem ruppigen Detective ein edles Gemüt –
ja, richtig, Krustentiere mit bloßen Händen auseinanderzureißen lässt genau darauf schließen. Sei doch ehrlich, Livvie, er ist ein Haudrauf. Ein argwöhnischer, forscher Cop. Denk daran. Er meint noch immer, dass du in diesen Mord verwickelt bist. Er hat nur noch nicht herausgefunden, wie. Er glaubt an das, was er sehen, anfassen, hören und riechen kann … Vertrau ihm nicht eine Sekunde!
»Erzählen Sie mir von dieser ›Gabe‹, die Sie besitzen«, bat er prompt und trank die Flasche aus. Der Kellner stellte zwei weitere auf den Tisch. »Wann hat das angefangen? Oder war es immer schon da? Ich meine, sind Sie damit auf die Welt gekommen, oder gab ein besonderes Ereignis, einen Unfall zum Beispiel, das als Auslöser dafür diente?« Er brach einem weiteren Shrimp den Kopf ab.
»Sie meinen, ob ich als Kind auf den Kopf oder in der Highschool in Ohnmacht gefallen bin? Und ob ich, als ich wieder aufwachte, plötzlich in der Lage war, Dinge zu sehen, die sich nicht unmittelbar vor meinen Augen abspielten?«
»Wenn es sich so zugetragen hat …«
»So war es nicht«, sagte Olivia schnippisch. Ihre Gereiztheit nahm zu. »Das wollen nur die meisten Leute hören.«
»Schon gut, schon gut«, sagte er und hob abwehrend eine Hand. »Ich wollte kein heißes Eisen anrühren.« Er wirkte aufrichtig, und sie kam sich ein bisschen albern vor, dass sie so aus der Haut gefahren war.
»Entschuldigung … das ist einfach ein Reflex. Es ist schwer zu erklären, aber ja, ich hatte das schon als Kind. Von Anfang an. Grannie Gin sagte immer, es sei ein Geschenk. Meine Mutter dagegen hat behauptet, alles finde nur in meinem Kopf statt und ich solle nicht darüber sprechen. Ich denke, sie hat in ihrer Kindheit unter Großmutters Gabe gelitten. Die Leute sind zu ihnen gekommen, damit Grannie, die keine besonders religiöse Frau war, ihnen die Tarotkarten legte und den Teesatz las – all solches Zeug eben. Bernadette, meine Mutter, fand das unheimlich. Für mich dagegen war es immer ein Teil meiner Großmutter, und ich habe es verstanden, wenngleich ich nicht verstand, warum es auch mir passierte.«
»Es gefällt Ihnen nicht, und trotzdem arbeiten Sie mit all dem New-Age- und Voodoo-Zeug.«
»Richtig. Ich hasse meine Gabe, und gleichzeitig verspüre ich eine merkwürdige, nahezu makabre
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