Danger - Das Gebot der Rache
Faszination, die davon ausgeht.«
»Sie sind schon früher mal ins Department gekommen und haben von Morden berichtet.«
»Dann haben Sie also mit Brinkman gesprochen.«
»Das musste ich. Ist das ein Problem?«
»Nein. Absolut nicht.« Olivia hatte sich einen Shrimp genommen, doch sie ließ ihn wieder in den Eimer fallen. »Ich dachte, ich hätte Ihnen das hinreichend erklärt. Ich bin schon mal auf der Polizeistation gewesen. Niemand, und schon gar nicht Detective Brinkman, hat mich ernst genommen. Genau wie Sie.«
»Stellen Sie mich auf die Probe«, schlug Bentz vor. Als sie zögerte, pulte er einen weiteren Shrimp. »Erzählen Sie mir Ihre Version. Aus erster Hand.«
»Es steht alles in Brinkmans Berichten, da bin ich mir sicher.«
»Aber ich möchte es von Ihnen hören.« Er lehnte sich zurück, wischte sich den Mund ab und blickte Olivia durchdringend an. »Keine Aufnahmegeräte. Keine Notizen. Erzählen Sie mir einfach, was Sie gesehen haben.«
Sie zögerte.
»Kommen Sie, Olivia. Sie haben den Stein ins Rollen gebracht«, sagte Bentz. Sie bemerkte, wie ihm das Haar über die Augen fiel und dass er winzige Krähenfüße um die Augen hatte, als blinzelte er viel. Ein nachdenklicher Mann.
»Sie haben recht. Okay … nun … wo soll ich anfangen? Vielleicht beim letzten Sommer, da hatte ich die letzte Vision. Ich erinnere mich daran, weil es etwa zu der Zeit passiert ist, in der meine Großmutter starb. Ich pendelte seit Wochen zwischen Tucson und Louisiana hin und her, und jedes Mal wenn ich nach New Orleans kam, hatte ich Alpträume, bruchstückhafter als den von letzter Nacht, aber intensiv.« Sie wartete auf seine Reaktion. Es kam keine. Er aß, hörte zu, nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Vielleicht dachte er, sie würde sich das alles ausdenken. Vielleicht fing er auch tatsächlich an, ihr zu glauben.
»Weiter«, drängte er. »Wovon handelte der Traum?«
»Er war jedes Mal ein bisschen anders. Sehr undeutlich, wenn ich in Tucson war, aber extrem lebhaft und anschaulich, wenn ich hierher zurückkehrte. Es war keine Vision davon, wie jemand auf brutale Weise ermordet wurde … es waren vielmehr knappe Bilder, ungefähr alle zwei Tage, von einem Opfer, das dem Hungertod ausgesetzt worden war. Sie … sie war irgendwo gefangen, in einer Art Krypta, einer Gruft, und sie schrie und weinte. An den Wänden waren Symbole, verschwommene Bilder und Schriftzeichen … eine Art Inschrift, die ich nicht genau erkennen konnte. Sie wurde von Tag zu Tag schwächer, das konnte ich spüren. Und ich habe
ihn
gespürt. Seine Anwesenheit.« Olivia hielt Bentz’ Blick stand. Er hatte aufgehört zu essen und starrte sie so intensiv an, als suchte er nach einer Lücke in ihrer Geschichte, einer Lüge.
»Den Mörder?«
»Ja. Wer immer sie entführt und zum Sterben dortgelassen hat, kam ab und zu zurück, um nach ihr zu sehen. Dabei leuchtete er ihr stets mit einer Taschenlampe in die erschrockenen Augen und ging dann wieder. Deshalb konnte ich auch nur flüchtige Blicke auf den Ort werfen, an dem er sie gefangen hielt, nur ein paar kurze Eindrücke von der Umgebung sammeln. Er … er hat ein kleines Gefäß dagelassen, vermutlich um sie zu verhöhnen. Es könnte Wasser darin gewesen sein oder etwas, mit dem sie ihrem Leben ein rasches Ende hätte setzen können, aber das Gefäß war gerade außerhalb ihrer Reichweite. Sie war ebenfalls angekettet.« Olivia erschauderte. »Die Frau letzte Nacht ist auf brutale Art und Weise ums Leben gekommen, doch bei dieser war es eher das Gegenteil, zumindest am Anfang … im Grunde kam es mir sogar noch schlimmer vor … ein grausiges Spiel, bei dem das Opfer in der Dunkelheit zurückgelassen wurde, um qualvoll zu verhungern oder zu verdursten.«
»Was auch geschehen ist.«
»Ja, aber … dieses Bild ist nur sehr vage. Es war gegen Ende Juli oder Anfang August. Ich erinnere mich, weil Grannie ernsthaft erkrankte. Ich bin kurz nach Tucson geflogen, habe mein Apartment abgesperrt und bin hierher zurückgekehrt, alles innerhalb von fünf Tagen. In jener Zeit veränderte sich die Lage. Ich sah noch abscheulichere Bilder.«
»Welche?«
Sie holte tief Luft. »Nun, es wurde womöglich ein Mädchen … enthauptet.«
Bentz’ Lippen wurden schmal. »Wie die junge Frau letzte Nacht.«
»Ja«, flüsterte sie. »Wie die junge Frau letzte Nacht.«
Bentz wusste nicht, was er denken sollte. War die Frau völlig durchgeknallt? War sie ernsthaft geistesgestört, oder hatte das
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