Danger - Das Gebot der Rache
Er kannte ihren Namen. Olivia Benchet … eine selbst ernannte Hellseherin. Genau wie ihre Großmutter, eine lästige Voodoo-Priesterin.
Er hatte ein paar Nachforschungen angestellt. Das war wichtig, wenn man seine Feinde verstehen wollte. Wie sonst sollte man sie besiegen?
Er stand unter der heißen Dusche und grinste höhnisch, als er an die Polizei dachte. Einfaltspinsel. Dummköpfe. Mit ihrer ganzen ausgeklügelten Ausrüstung, all den Beamten und dem Computerkram drehten sie sich doch immer nur im Kreis. Er hatte die Pressekonferenz verfolgt, bei der die Einwohner der Stadt vor einem Serienmörder gewarnt worden waren. Er hatte gehört, dass eine Sondereinheit gebildet worden war und weitere Details bekanntgegeben würden, sobald man Näheres wüsste.
Was ein Witz war. Die Polizei würde es nie wagen, zu viel preiszugeben, allein schon aus Angst vor einem Trittbrettfahrer oder dem Geständnis von jemandem, der die Tat gar nicht begangen hatte und lediglich seine fünfzehn Minuten Ruhm genießen wollte.
Er rasierte sich vorsichtig. Erst mit einer dünnen Klinge, dann mit einer weiteren und schließlich mit einer dritten, so dass ganz sicher kein Härchen stehen blieb. Die scharfen, fein geschliffenen Klingen streichelten seine Haut. Er fuhr sich damit langsam vom Haaransatz hinunter zum Kinn, dann über Nacken, Brust und Achseln, über jede Stelle, auf der auch nur ein Ansatz von Körperbehaarung zu finden war. Vorsichtig rasierte er sich die empfindliche Gegend um seine Hoden und ließ sich Zeit bei seinen Beinen und Füßen. Zwischendurch beobachtete er, wie die dunklen Stoppeln zusammen mit dem Seifenschaum über dem Abfluss strudelten.
Er hatte einen Ganzkörperspiegel neben der Dusche angebracht und betrachtete durch die beschlagenen Glastüren sein Spiegelbild – nackt und sauber, weiße Haut, gerötet von dem heißen Wasser, nicht ein einziges Körperhaar, nur Muskeln wie ein Waschbrett unter straffer Haut, was er einem Rudergerät, einem Crosstrainer und dem täglichen Gewichtestemmen zu verdanken hatte. Sein Kopfhaar war nass, und er überlegte, ob er es auch entfernen, sich eine Glatze rasieren sollte. Doch eine so auffällige Veränderung seines äußeren Erscheinungsbildes würde womöglich Verdacht erregen, zudem hielten ihn Stolz und Eitelkeit davon ab. Sein Haar würde erst einmal bleiben. Er kämmte sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und drückte sie fest an den Kopf. Eines Tages vielleicht …
Er trat aus der Dusche, doch er trocknete sich nicht ab, sondern ließ die Feuchtigkeit auf seiner Haut verdampfen. Er hatte sein nächstes Opfer gefunden. Oh, er hatte unter so vielen wählen können, unter so vielen Sünderinnen, aber diese eine, die Rothaarige, würde vollauf genügen. Er hatte sie seit Wochen beobachtet und sich gefragt, ob sie das Opfer wert war, aber als er mit ihr gesprochen hatte, war er sich sicher gewesen. Wenn sie nur wüsste, auf welche Art und Weise er ihre Seele erlösen würde! Barfuß überquerte er den glatten Holzfußboden, trat an seinen Schrank und nahm das Medaillon heraus: ein ganz besonderes Medaillon, das an einer feinen Kette baumelte.
Die heilige Katharina von Alexandrien.
Er spürte, wie sein Blut bei dem Gedanken an die Mission zu kochen begann. Heute Abend … noch vor Mitternacht. Er stellte sich vor, wie sie um ihr Leben bettelte, betete und flehte, weinte und bereute, sich ihm anbot … Doch ganz egal, was sie ihm anbieten würde, ganz egal, wie verzweifelt sie flehte, ihr Blut würde fließen.
Er schlang sich die Kette ums Handgelenk und blickte erneut in den Spiegel. Heute Abend war ein günstiger Zeitpunkt. Ja. Ein weiteres Opfer.
Aber dann würde er alles neu überdenken müssen. Weil die Enkelin von Virginia Dubois, Tochter dieser Schlampe Bernadette, ihm womöglich dazwischenfunkte.
Es sei denn, sie wurde eine der Märtyrerinnen.
Bei dem Gedanken trat ein Lächeln auf sein Gesicht. Sie musste sterben. Sie stellte eine Bedrohung für ihn dar, und er hatte persönliche Gründe, ihrem Leben ein Ende zu setzen, Gründe, die sie jetzt noch nicht begreifen konnte. Es würde zunächst weitere Opfer geben, gewiss, aber … Er konnte seinen Zeitplan für diesen ganz speziellen Ritus umstellen.
Die heilige Olivia. Das klang gut.
Das klang sogar sehr gut.
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Kapitel einundzwanzig
D a ist jemand, der Sie sprechen möchte … ein Officer von der Polizei«, sagte Wanda, die Sekretärin, während sie an die Bürotür klopfte und sie
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