Danger - Das Gebot der Rache
zusammengekniffenen Augen dachte er nach. Noch eine Heilige? Oder ging dieser Gedanke zu weit? Warum sollte ein Priester Frauen umbringen und sie aussehen lassen wie Märtyrerinnen? Was für ein Unsinn! Und warum sollte Olivia in der Lage sein, ihn bei seinen Greueltaten zu beobachten? Doch vor allem:
Wie?
Wo war der verdammte Zusammenhang? Bentz wusste, dass ihm irgendetwas entging … etwas Entscheidendes.
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, lauschte dem Summen der Computer und dem Gemurmel, das aus dem Großraumbüro zu ihm ins Zimmer drang, dann blickte er auf das Blatt mit dem Bericht zur heiligen Cecilia. Wieder einmal. Wieder dasselbe. Außer … Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, als er das Datum des Gedenktages bemerkte. Der zweiundzwanzigste November. Er hielt den Atem an. An ebendem Tag war Stephanie Jane Keller ermordet worden.
Der Killer hatte am zweiundzwanzigsten November zugeschlagen, und zwar nicht, weil es der Tag der Ermordung John F. Kennedys war, sondern der Gedenktag der heiligen Cecilia.
»Verflucht noch mal …« Bentz blätterte durch den Ausdruck zu Johanna von Orléans. »Gedenktag … dreißigster Mai.« Die unbekannte Leiche am Fuß der Heiligenstatue war am einunddreißigsten Mai gefunden worden. Aber sie konnte gut und gern schon vor Mitternacht umgebracht worden sein, am dreißigsten Mai, dem Gedenktag. Verbrannt auf einem Scheiterhaufen? Fragt sich nur wo? Mit was für einem kranken Hirn hatten sie es denn jetzt wieder zu tun?
Wann würde der Irre erneut zuschlagen? Wenn Bentz es aus seinen Tagen im Katechismus-Unterricht richtig erinnerte, war alle naslang irgendein Heiligengedenktag.
Ihm brach der Schweiß aus.
Wenn du recht hast,
ermahnte ihn seine innere Stimme.
Vielleicht siehst du Zusammenhänge, die gar nicht existieren.
Zum Teufel. Er wusste, dass er recht hatte. Dieser Wahnsinnige nutzte die Gedenktage von Heiligen für sein abscheuliches Werk!
Plötzlich verlangte es Bentz nach einem Drink. Und nach einer Zigarette.
Er öffnete seine Schreibtischschublade auf der Suche nach einem geschmacksneutralen Nikotinkaugummi. Es war nicht dasselbe, gab ihm nicht den Kick wie eine Camel, aber es würde für den Augenblick genügen müssen. Ein Drink stand außer Frage.
Bentz loggte sich aus, schnappte sich Jacke, Dienstmarke und Schulterholster und bat seine Sekretärin, Montoya – sobald er aufkreuzte – auszurichten, er müsse dringend mit ihm reden. Dann stürmte er hinaus und über den regennassen Parkplatz, wobei er seinem Partner zusätzlich eine SMS schickte. Als er in seinen Jeep aufschloss, beschloss er, zunächst zu jenem Ort in der Stadt zu fahren, den er für lange, lange Zeit gemieden hatte.
Mit zusammengepressten Zähnen kämpfte er sich ungeduldig durch den dichten Stadtverkehr. In seinem Kopf wirbelten unzählige unbeantwortete Fragen. Was für eine Ironie! Plötzlich war genau dieser Ort so verdammt wichtig, dass er sogar die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritt, um dorthin zu gelangen. Die Scheibenwischer beseitigten eine ganze Regenflut von der Windschutzscheibe, der Polizeifunk knisterte, aber nur Satan höchstpersönlich hätte Bentz bremsen können.
Eine letzte Kurve, und die Kirche kam in Sicht. Ein Ort des Glaubens. Seine Gemeinde, wenn er denn eine hatte. Seit er nach New Orleans gezogen war, war er etwa fünfmal hier gewesen. Stets zusammen mit Kristi. An Weihnachten, manchmal an Ostern. Nie zwischendurch und im einen oder anderen Jahr auch gar nicht. Er parkte auf der Straße und blickte auf die hohe Kirchturmspitze von St. Lukas. Hell erleuchtet von Bodenstrahlern, ragte die Spitze in den Nachthimmel, schien die Wolken zu durchdringen, unbehelligt vom Regen.
Es war schon eine Ironie, dachte er, dass James ausgerechnet hier gelandet war. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit gewesen?
Es sei denn, James hätte um diese Versetzung ersucht.
Das würde dem Fass den Boden ausschlagen. Er hatte sich mindestens ein halbes Dutzend Mal gefragt, warum sein Halbbruder zu einer Gemeinde in Big Easy gewechselt hatte.
Bentz stieg aus, steckte die Schlüssel ein und schritt zur Eingangstür, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Kragen hochzuklappen. Vor langer Zeit hatte ihm jemand mal erklärt, Gott sei nachsichtig. Er hoffte, dass das stimmte.
Die Frau stellte ein Problem dar. Ein ernsthaftes Problem.
Der Erwählte spürte ihre Anwesenheit, wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie die Polizei auf seine Spur brachte.
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