Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
etwas, dass ihn mit Jana verband, für immer. Aber vieles verband ihn mit ihr und das hatte er gerade verloren. Es würden nur noch schmerz- liche Erinnerungen zurückbleiben und dieses Ekelgefühl in ihm.
Da war es. Langsam, ganz langsam kroch es in ihm hoch. Das Gefühl, als wenn man ihn verschlingen, ihm den Atem abschneiden würde.
Nein, energisch stand er auf, schaltete die Geräte ab: Ich muss an die Kinder denken und nicht an eine Geliebte. Das muss zu Ende sein. Sie war eine von vielen, ein Verhältnis für kurze Dauer gewesen.
Auch heute versuchte er seine Gefühle, dass Wissen, dass da viel mehr war, zu verdrängen, aber das funktionierte nur äußerlich. Im Inneren war der Schmerz, aber den sah man nicht, der gehörte ihm, ex aequo wie die Erinnerungen.
Er saß die ganze Nacht draußen, trotz der Kühle, der Feuchtigkeit. Er konnte nicht schlafen. Er trank einen Kaffee und noch einen. Er wollte die Wärme in seinem Inneren spüren, aber da war nur eine große Leere, wie ein Loch. Wie es wohl Jana erging?
Man kann etwas äußerlich zusammenfügen, aber die Narben bleiben ein Leben lang. Bei Jana hatte er die Narben hinterlassen. Der zweite Mann, der bei ihr Narben hinterließ, der eine unfreiwillig und er ...?
„Daniel Briester“, sagte er sich, „du bist ein feiger, mieser Kerl, dabei liebst du diese Frau.“
Er erwachte mit einem Schluchzen in der Kehle und dem Gefühl, als wenn er eine Zwangsjacke trug. Er sprang auf. Die Panik brach mit brutaler Kraft über ihn herein. Dieses Grausen hatte Nuancen und er kannte sie genau. Am Anfang war sie völlig ursprünglich gewesen, die Furcht vor etwas Unbedeutenden. Er wurde melancholisch, danach depressiv und die Panikattacken wurden ärger.
Er schlüpfte in seine Sachen, zog Joggingschuhe an und wenig später rannte er durch die dunkle Nacht. Der Regen hatte aufgehört und die Luft war frisch und kühl. Er lief schnell, viel zu schnell, aber er rannte vor sich selbst davon, vor dem, dass er ihr angetan hatte. Rannte und rannte, fühlte die Seitenstiche, rannte weiter, nach Luft ringend, aber er rannte weiter, bis er irgendwann schwer atmend stehen blieb, sich übergeben musste. Nach einer Weile setzte er sich in Trab, etwas langsamer. Er fühlte sich schlecht und völlig ausgelaugt.
*
Sonntagvormittag fand man die nächste Leiche. Sie war angespült worden, dieses Mal ein Mann.
„Die Elbe scheint ja voll zu sein“, bemerkte der Gerichtsmediziner. „Vielleicht sollte ihr Taucher hinunterschicken und alle auf einmal hochholen. Spart den Anfahrweg.“ Er sah zu Daniel. „War wohl spät gestern? Du siehst mitgenommen aus.“
„So kann man es nennen. Zu viel Whisky“, log er.
„Kenn ich, Scotch oder Bourbon?“
„Glenfiddich.“
„Gute Sorte, trink ich auch, löst aber keine Probleme. Du bist Gesprächsthema Nummer eins.“
„Merde.“
„Das ebenfalls. Was sagt Frau Doktor dazu?“
„Fini.“
„Weiber! Passiert etwas, geben sie einen den Laufpass. Ein Grund zum Saufen, aber du hast ja Ersatz.“
„Eher umgekehrt, ich habe sie weggeschickt, aber vergiss es.“
„Ich denke, unser schönster Bulle kommt unter die Haube?“
„Bestimmt nicht.“
„Zwei, drei Wochen, denke ich, Alter so um die fünfzig, noble, teure Klamotten.“
„Mehr morgen nehme ich an. Ich fahr nach Hause, mein Kopf dröhnt.“
„Weitersaufen, aber nur einen. Du bist ein Idiot, wusstest du nicht, was du an ihr hattest? Such dir die Nächste, weil die Larsen, die kannst du ver- gessen, obwohl du die heiraten willst. Zu verbraucht, zu durchgenudelt.“
Daniel hörte nicht richtig zu.
„Besser nicht. Momentan habe ich die Schnauze voll.“
„Saufen bringt´s nicht.“
Sie erhoben sich und schritten wenig später zu den Autos. „Halt die Ohren steif. Bis Morgen.“
Er duschte zuerst, kochte Kaffee, obwohl er am liebsten nach der Flasche gegriffen hätte.
Er lief mit einem Glas Wasser wie ein Tiger im Käfig hin und her, wusste nicht, was er machen sollte. Lesen konnte er nicht, da die Konzentration fehlte, Fernsehen langweilte ihn und lenkte nicht ab.
Schließlich griff er zum Telefon. Das musste er noch hinter sich bringen. Er rief bei seinem Bruder an und berichtete ihm, dass er sich von Jana getrennt hatte und dass er versuchte, eine Beziehung mit Sandra aufzubauen. Er musste sich um die Kinder kümmern. Torsten wusste es bereits von Jana und meckerte, da er die arme Frau gerade jetzt im Stich ließ. Sie wusste nicht, wo sie nun wohnen sollte.
Danach sprach er mit seiner
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