Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Fall noch mal zwei Tage ins Auto, das kannste vergessen, das ist ja mal wieder der allerletzte Stuss, da reiß ich hier schon wieder diese Kilometer runter, ich bin ja wohl bescheuert!‹«
»Ja, wofür denn auch?! Jedes Jahr die Scheißkrippe von deinem Vater, nächstes Jahr zünd ich die an ...«
»Jens! Hör auf, die Kinder sitzen hinten!«
»Ja, die können mir dabei helfen! Christiane, die sind elf und vierzehn, die gucken sich auch nicht mehr lange Opas Hirten an. Die haben zehn Termine Winter-Schädel hinter sich, denen braucht keiner mehr ’nen Jesus im Stall hinzustellen!«
»Wir machen das auch ausnahmsweise mal nicht für die Kinder, sondern für unsere Eltern. Und da müssen Kinder eben auch mal mitmachen!«
»Der Papa aber nicht mehr! Ich klink mich da aus, danke schön.«
»Machst du nicht, Jens! Hör doch auf mit so ’nem Quatsch! Du glaubst doch wohl nicht, dass ich nächstes Jahr alleine zu deinen Eltern fahre. Das glaubst du doch wohl nicht!«
»Christiane, wir haben jetzt ein ganzes Jahr Zeit, uns zu überlegen, wie wir aus diesem Schwachsinn rauskommen, vielleicht mal mit ’nem Arzt sprechen, was man so haben kann, und zack! kannste nicht mehr so wie vorher durch die Weltgeschichte gondeln, zum Beispiel!«
»Aber im Urlaub, da geht das dann wieder – oder bleiben wir dann komplett zu Hause? Das ganze Jahr zu Hause, weil mein labiler Ehemann die Weihnachtsbesuche nicht mehr packt ...!«
»Sag doch selber, du findest das doch auch alles Tinnef! Jetzt sag aber mal selber! Die ganze Adventszeit lang überlegst du, was du dir für ’ne Pest einfangen kannst bis Weihnachten, und jetzt machste einen auf eiserne Lady!«
»Ja, weil ich finde, dass man auch mal durch was durch muss, meine Güte! Einmal im Jahr beide Eltern besuchen – noch viel bescheuerter ist doch die Diskussion, die du zuverlässig abfackelst, auch jedes Jahr! Schnarch!«
»Auch so ’n Thema.«
»Was??«
»Na, schnarch.«
»Bitte?!«
» Du hast das angesprochen, nicht ich!«
»Sag mal, willst du mich bekloppt machen, oder was?!«
»Ich wollte einfach mal das Thema wechseln und fand das von dir angebotene direkt geeignet. Man kann doch auf so ’ner langen Autofahrt mal so ’n paar Sachen besprechen ... Und jetzt sag ich dir mal was: Du schnarchst.«
»Ach, du kannst mich doch mal!«
»Christiane! Die Kinder sitzen hinten!«
»Mit Kopfhörern auf!«
»Die können von den Lippen lesen.«
»Dann bräuchtest du die aber nicht immer so anzubrüllen, wenn dir was nicht passt.«
»Ach, jetzt komm, das ist doch schon viel besser geworden! Frag die Winter-Schädel! Aber wir waren doch gerade beim Schnarchen. Find ich viel interessanter. Willste wohl nicht hören, was?«
»Und du furzt im Schlaf!«
»Jetzt hau aber ab!«
»Doch! Jeden Morgen ist unser Schlafzimmer voller Methan!«
»Ähm, sorry, hätten Sie für mich auch noch ein paar Kopfhörer?« Es ging nicht mehr anders. Ich musste mich einschalten.
»Ach, du liebe Güte, wir haben das Federvieh dahinten vollkommen vergessen!«
»Maus. Das ist eine Maus.«
»Ja, egal, jedenfalls irgendwas, wo kein Kopfhörer drauf passt.«
Das Ende vom Lied war, dass ich von Frau Rückert gegriffen wurde, was nicht schwierig war, weil Malte über seinem Fantasy-Hörbuch eingeschlafen war und keinen Widerstand leistete, als seine Maus von Händen so groß wie Schaufeln in die mütterliche Handtasche gestopft wurde. Man war nicht bereit, dieses reinigende, eheerhaltende Jahresabschlussgespräch einzustellen, weshalb ich zum schlechteren Hören noch in Mutter Rückerts Schal gewickelt wurde. Den Rest der Fahrt verbrachte ich vor mich hin dämmernd, immer wieder unterbrochen von Stimmausstülpungen seinerseits wie ihrerseits. Verstehen konnte ich aber tatsächlich gar nichts mehr. Was ich nicht als Verlust begriff.
Dienstagsgruppe! Juchu!
So gern ich bei jedem einzelnen Kind wohnte, seine Familie, sein Zuhause, seine Gedankenwelt kennenlernte, so pudelwohl fühlte ich mich, wenn ich dienstags die ganze Expertentruppe um mich herum hatte!
Zumal das alle erschöpfende Weihnachtsfest hinter uns lag.
Es gab heute so einiges:
Luise hatte dem Sportlehrer keinen Ritalinkuchen verabreicht, unter anderem weil die Meinungen dazu in der Gruppe sehr kontrovers waren. Es gab einen Überhang zu der Meinung, dass man in jeder Hinsicht die Finger von dem Zeug lassen sollte.
Ich selbst teilte den Kindern mit, dass ich mich in Pauls Angelegenheit um eine Entschärfung der
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