Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Augenbrauen sitzen. Was sollte denn das für ein Gespräch werden?!
»Nein, Ulla, davon habe ich bisher nichts mitbekommen.«
»Nun, wir vermissen einen rechten Damen-Flipflop, den linken fanden wir bis zur Hälfte abgeknabbert vor, es fehlen uns ein Cashmere-Schal und eine kleine Tupperdose, außerdem sind an drei Milchtüten die Ecken abgebissen, weshalb wir nun eine große Milchlache da unten haben. Und außerdem stinkt es überall scharf nach ... na ja, nach ... Pipi.«
»Aha.« Wenn diese Dame meinte, dass ich mit dem Schwund und der Geruchsbelästigung irgendetwas zu tun hatte, dann sollte sie mir das hier und jetzt offen ins Gesicht sagen.
»Wenn Sie meinen, dass ich mit diesem Schwund und der Geruchsbelästigung irgendetwas zu tun habe, dann sollten Sie mir das hier und jetzt offen ins Gesicht sagen.«
Instinktiv war ich zum Sie übergegangen, obwohl Bens Eltern regelrechte Duz-Maschinen waren.
»Ich meine, dass du irgendetwas damit zu tun hast.«
»Aha.«
Ich war stinksauer. So sollte man meine gute Kinderstube nicht auf die Probe stellen!
Vier Tage wohnte ich nun schon bei Familie Jansen, und Ulla Jansen hatte meines Erachtens hinreichend Gelegenheit gehabt, sich meiner Korrektheit zu versichern. Ich hatte vorgestern Abend noch sämtliche Armaturen im Bad poliert, weil sie zu verkalken drohten, ich hatte Ullas Sportliteratur, die an sechs Stellen im Haus verteilt gewesen war, säuberlich auf einen Stapel gelegt. Ich war es, die das iPad, das von Andreas ganztägig gesucht wurde, jeden Abend unter größten Anstrengungen an seinen Platz zurücklegte. Von beider Herrschaften Lesebrillen ganz zu schweigen. Und jetzt kamen die mir so. Ulla war bestimmt nur die Wortführerin, die für ihren Mann mitsprach.
»Wir haben uns das jetzt eine Weile angeguckt, Britta, und ich sag dir ganz ehrlich, viel fällt uns dazu nicht ein.« Da war er ja, der Herr des Hauses, mit schräg gelegtem Kopf und krauser Stirn.
Sah! der! bescheuert! aus!
»Ich vermute, Sie möchten von mir nun mehr über die Vorgänge in Ihren Kellerräumen erfahren. Leider muss ich Sie enttäuschen. In Kellerräumen halte ich mich eher nicht auf, und zudem hatte ich mit den Handhabungen in Ihrem Haushalt, ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben, genug zu tun. Für delinquentes Verhalten fehlte mir einfach die Zeit.«
So. Jansens. Nicht mit mir. NICHT MIT MIR!
»Ach, entschuldigen Sie, dumm von mir: Delinquent leitet sich aus dem lateinischen ›delinquere‹ ab und meint ›sich vergehen‹ oder auch: ›einen Fehltritt begehen‹. Das hatte ich jetzt als bekannt vorausgesetzt.«
»Jetzt sind wir dir sehr auf den Schlips getreten, oder?«
Ich zog eine Augenbrauen-Stelle hoch und zuckte mit einer Schulter. Wortlos. Wenigstens knickten sie sofort ein.
»Okay, Britta. Lass uns noch mal von vorn anfangen«, versuchte es Herr Jansen.
Ich hielt diese eine Stelle in der Höhe, die Schulter ließ ich wieder sinken.
Woher ich in Konflikten so geschickt meinen Körper einsetzen kann? Ich habe als Kind Ballett getanzt. Wir wohnten unweit einer Tanzmaus, die auch unterrichtete.
»Ich glaub, das war einfach ein bisschen drüber von uns eben. Ich mochte diese Flipflops halt unheimlich gerne.« Jetzt fand die Mutter doch noch den richtigen Ton.
Ich nickte ihnen knapp zu, damit wollte ich signalisieren: Eine Maus ist kein Unmensch; Entschuldigungen werden selbstverständlich angenommen. Und dann macht man weiter im zivilisierten Kontakt.
Indem man zum Beispiel wieder zum Du übergeht:
»Was natürlich nicht geht, ist, dass sich da jemand an euren Kellerräumen vergreift, das seh ich ganz genauso wie ihr.«
»Ach, weißt du, Tupperdose, Flipflop, das ist ja alles nicht so tragisch, aber zu wissen, dass hier Sachen wegkommen, das ist schon heftig.«
»Kann doch auch ’ne Ratte sein. Und die legt sich unter so ’ne Milchtüte, weißte, wie die im Mittelalter, wenn die sich unter so ’n Weinfass gelegt haben. So schlüüürf!« Ben legte als später Unterstützer zwei Finger um mich.
Ich schüttelte den Kopf. »Die kriegen Dünnpfiff von Milch. Wegen der Lactose. Das vertragen die nicht.«
»Na und? Ich trau das so ’ner Ratte voll zu! Einfach was kaputt machen will die und dann so schlabberschlabber alles über’n Boden.«
»Nein, Ben, das ist süß von dir, aber das sieht tatsächlich eher nach der Handschrift einer Maus aus. Ich muss einfach der Fairness halber sagen, dass wir Mäuse es sind, die mit unserem Urin Spuren hinterlassen.
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