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Dann fressen ihn die Raben

Dann fressen ihn die Raben

Titel: Dann fressen ihn die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Meinke
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die Wohnung denken, in der Borste und Afro mich eine Nacht lang gefangen gehalten hatten. Afro war die ganze Zeit rumgerannt und hatte wie wild geputzt. Es war fast schon klinisch sauber gewesen dort. Borste war sogar zum Rauchen auf den Balkon gegangen. Tobias’ Wohnung war das genaue Gegenteil. Und der Knoten, der sich bei meiner Erinnerung an die beiden Typen und meinen Schuldenberg in meinem Magen gebildet hatte, verduftete ganz entspannt, wie eine Melodie von Bob Marley.
    Tobias zeigte auf den Flachbildschirm.
    „Hellbound“, sagte er, „das ist der zweite Teil der Hellraiser-Serie. Die Vorlage ist von Clive Barker. Guck mal!“
    Man sah einen Mann in einem Krankenhaus, der gerade dabei war, sich mit einem Messer aufzuschlitzen.
    „Der Mann ist geisteskrank und glaubt, überall an seinem Körper hängen Insekten. Der Arzt hat ihm das Skalpell in die Hand gedrückt und gesagt, er solle sie wegschneiden.“
    Das war echt megaeklig. Ich setzte mich in ein zerschlissenes Sofa und glotzte mit.
    „Willst du ’nen Kopf?“, fragte er und zeigte auf eine schöne Bong aus rotem Glas, die auf dem Tisch stand. Ich nickte, und er bat mich, Wasser und Eiswürfel zu holen. Ich hatte das schon mal probiert. Mit frischem, kaltem Wasser und Eiswürfeln gekühlt glitt der Rauch gemächlich in die Lungen und verteilte sich, und wenn man ein gutes Kraut hatte, gelangte er bis in die letzte Pore des Körpers.
    „Das ist ein reiner Afghane, fass mal an.“ Er warf mir vorsichtig einen kleinen Klumpen zu, der rabenschwarz und weich wie Knete war.
    „Schöne Sache“, antwortete ich und warf ihn wieder zurück. Tobias bereitete die Blubber vor, und ich nahm den Schlauch, setzte die Lippen an das Mundstück und rauchte. Dadurch, dass der Rauch so kalt war, konnte ich einen tiefen Lungenzug nehmen und ihn lange einhalten, ohne zu husten.
    „Der ist einfach super“, stellte Tobias voller Überzeugung fest.
    Ich spürte, wie meine Augenlider sofort schwer wurden. Tick tack, tick tack.
    Aber mein Körper wurde unruhig. Tobias entfernte das Mundstück, setzte sein eigenes ein und zündete den Kopf von Neuem an. Tick tack, tick tack.
    „Jetzt zeige ich dir noch einen abgefahrenen Streifen. Hier.“ Tobias erhob sich mit einem Ruck und hatte den gesuchten Film mit einem Handgriff gefunden. Anscheinend war seine Bibliothek doch nach irgendeinem System geordnet.
    „The Remains of the Day. In aller Bescheidenheit Anthony Hopkins’ bester Film.”
    Doch als ich fünf Minuten des Films gesehen hatte, zog es mich weiter.
    „Willst du nicht ein paar Joints von dem feinen Afghanen mitnehmen?“
    Ich nickte.
    „Du kriegst fünf für zweihundert.“
    Ich kramte 197,50 Kronen raus. Das war in Ordnung.
    Als ich Tobias’ Wohnung verließ, war ich so breit, dass die Welt draußen plötzlich genauso farblos und kontrastreich aussah wie ein Chaplin-Film. Ich hatte immer noch keine Lust, nach Hause zu gehen, und mir fiel ein, dass Finn mich zu einer Party im Studentenwohnheim des Rigshospitals eingeladen hatte. Finn war eine Stufe über mir und hatte einen großen Bruder, der auf die Landwirtschaftshochschule ging. Vermutlich hatte er mich eingeladen, um mir zu beweisen, was für ein geiler Typ er war, weil er einfach so zu irgendwelchen Erwachsenenpartys gehen konnte. Finn war einer dieser leicht aufgedunsenen Gothic-Typen, die Rollenspiele spielten und Amorphis hörten. Also ganz und gar kein geiler Typ.
    Die Straßen glänzten vom Nieselregen, der die Stadt nun schon seit ein paar Tagen befeuchtete, und ich fühlte mich wie ein Detektiv in einem Noir-Krimi, der einsam durch die Straßen streifte, von einer Laterne zur nächsten.
    Als ich ins Wohnheim kam und nach Finn fragte, wurde ich in das Zimmer seines Bruders Michael verwiesen. Dort lag Finn und kühlte seine Stirn am Porzellan der Kloschüssel. Sein weißes T-Shirt war völlig durchnässt und gelb von Galle. Das Zimmer war im klassischen Wohnheimstil gehalten: ein ungemachtes Bett, ein Schreibtisch und ein kleiner Tisch voller Bierdosen und einem überquellenden Aschenbecher in der Mitte. Ich sah zu, von dort wegzukommen, und ging stattdessen zu der eigentlichen Veranstaltung im Keller.
    Die Party war okay, keine Frage. Ziemlich viele Ladies und ziemlich fette Beats. Ich stellte mich an die Bar, um mir einen Breezer oder irgendein anderes Kindergetränk zu organisieren. Ich stehe auf Somersby, Breezers, Piña Colada. Bier ist mir zu … bierig, und starke Sachen sind mir zu … stark.

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