Dann fressen ihn die Raben
Monkeys?“, fragte ich.
„Ich mache diese Scheiße jedenfalls auf keinen Fall mehr mit. Als ich die Explosion im Zelt hörte, war mein erster Gedanke, dass die, die verletzt wurden oder starben … dass ich sie umgebracht habe.“
Es wurde still im Zimmer. Ich betrachtete ihr Gesicht. Der verschmierte Mascara passte gut zu ihren schwarzen Klamotten und den großen Augen.
„Glaubst du, dass sie uns anschwärzen werden?“, fragte ich.
„Aske wird jetzt vermutlich einen ziemlichen Hass auf dich haben. Vielleicht. Andererseits ist ja alles total geheim, und Verräter sind das Allerschlimmste für ihn. Kann also auch sein, dass er dichthält.“
„Und Jonathan? Kannst du verdammt noch mal nicht einfach sagen, was du über ihn weißt?“, fragte ich. Die Erleichterung darüber, allem entkommen zu sein, wurde schnell von einem gereizten Zorn abgelöst.
„Dieser Journalist?“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Eine Mischung aus Neugier und Enttäuschung schimmerte darin. „War es nur deshalb? Stimmt es, was Aske sagt, dass du nur deshalb bei den Monkeys warst?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich.
„Waren wir deshalb zusammen?“
„Jetzt hör aber auf.“
„Aske hat ihn in die Wüste geschickt, weil er paranoid ist.Dein Freund hatte nicht im Entferntesten etwas mit dem HQ oder den Monkeys überhaupt zu tun.“
„Der Typ vom HQ, der mich angesprochen hatte, kannte aber seinen Namen.“ Verzweiflung. Die ganze Scheiße für nichts und wieder nichts. Ich hatte mich an der letzten, verschwommenen Hoffnung festgeklammert – und mich irgendwie darin verkeilt.
„Das glaube ich nicht. Kann es sein, dass du seinen Namen erwähnt hast, bevor es der HQ-Typ tat?“
Ich dachte zurück. Ich hatte Jonathans Namen ungefähr 100.000 Mal erwähnt, bevor es der HQ-Typ tat.
„Scheiß drauf“, sagte ich.
„Jonathan wollte über uns schreiben. Er war sehr nett, aber er glaubte nicht richtig an die Sache. Er war ganz anders als du. Er sprach immerzu davon, dass wir die Übergriffe an den Tieren dokumentieren sollten und solche Sachen. Aber er war nicht der Meinung, dass Hundezucht und Schweineställe Tierquälerei wären. Und dann hat Aske ihn irgendwann einfach rausgeschmissen.“
„Dieser Typ vom HQ. Meinst du, der wird sich an mir rächen?“
„Nein, ich gehe mal davon aus, dass sie ihn zuerst geschnappt haben, weil sie ja die ganzen Handynummern hatten. Aber vielleicht schickt er jemand anders vorbei …“
Ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein. Ich fühlte mich ihr gegenüber vollkommen kalt. Ich empfand nichts für sie. Sie stand auf und ging zur Tür. Jonathans Geist verließ mich wieder. Und Mira sollte bitte auch abhauen und nie wieder zurückkommen.
„Aber was ist mit uns? Findest du mich immer noch süß?“ Ihre Augen waren unerträglich groß.
„Nein. Eigentlich nicht.“ Ihr Gesicht veränderte sich. Als zöge sie sich in sich zurück.
Ich legte meinen Kopf auf das Kissen und schloss die Augen.Dabei fühlte ich mich gesünder, als ich es eigentlich hätte sein dürfen. Aber die Geste hatte den gewünschten Effekt: Dass Mira ein für alle Mal ging, ohne sich zu verabschieden.
Ich schaltete meinen Computer ein. Meine Mutter reinigte die Wunde auf meiner Wange. Dann holte ich Jonathans Karton hervor und begann zu schreiben.
If you can, help others; if you cannot do that, at least do not harm them.
His Holiness Tenzin Gyatso, the 14th Dalai Lama
Die Projektarbeit schreibt sich wie von selbst. Ich habe nur wenig in den Büchern gelesen, die Liv und ich in der Bibliothek ausgeliehen haben, aber ich habe aus nächster Nähe erlebt, wie weit Leute gehen können, wenn sie die Idee von der Unantastbarkeit der Menschen aufgegeben haben. Und von diesen Menschen – die die Idee aufgegeben haben – gibt es verdammt viele.
Die Bilder dokumentieren in aller Deutlichkeit, dass … tja … die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist. Nur um ein wenig zu erklären, warum manche Menschen alle Grenzen überschreiten und zu Mitteln greifen, die man als Selbstjustiz bezeichnen könnte. Bei den Bildern von tanzenden Bären und Bergen von toten Schweinen wird mir übel. Die Monkeys sind zu weit gegangen, weil sie Angst hatten. Und diese Angst sollten alle anderen auch teilen – aber nicht ihre Mittel.
Während meine Finger wie wahnsinnig tippen, ist ein Teil meines Gehirns ganz woanders. In einem fort laufen Bilder von Rie, Mira, Henrik, meiner Mutter vorbei – als verweste Leichen, die über
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