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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Problem.«
    »Natürlich«, Pa lächelt höflich, »wir könnten auch aussteigen und zu Fuß gehen.«
    »Nicht nötig«, wehrt eins der Mädchen ab. Sie quetschen sich mit dem Bett zu uns und dann fahren wir schweigend in den fünften Stock, wo die beiden von Jay-Bayani, dem asiatischen Pfleger, schon erwartet werden, der ihnen das Bett abnimmt und sie wieder zurückschickt.
    Er lächelt uns zu. »Ihre Mutter liegt auf Zimmer 644«, sagt er in meine Richtung und schiebt das Bett schwungvoll los.
    Zum Glück ist das nicht das Zimmer, in dem Lina gestorben ist, aber wir müssen daran vorbei. Vor dem Schwesternzimmer brüllt ein kleiner in Nadelstreifen gekleideter Mann Samira an, als wäre sie seine persönliche Leibsklavin. Den Mann habe ich schon mal gesehen, auf den Fotos von Lina. Es ist der Mann, der den Scheck überreicht hat.
    »Mein Sohn braucht ein Einzelzimmer und Privatschwestern, ist denn das so schwer zu verstehen?«
    Ich zähle eins und eins zusammen und kann es nicht glauben. Das ist Dennis’ Vater? Und soll das heißen, dass sie Dennis hierhergebracht haben? Warum denn das? Das Bogenhausener Klinikum ist viel näher am Arabellapark.
    »Ich bestehe auf Dr. Brandt! Mein Junge geht mit seinem Sohn zur Schule. Sie sind gut befreundet. Dr. Brandt muss sofort nach ihm sehen.«
    Dennis hat sich wegen Oliver hier aufnehmen lassen? Soll das ein Witz sein?
    Samira wendet sich weg von dem Mann, dabei fällt ihr Blick auf mich, sie zuckt leicht zusammen, dann lächelt sie mir zu und dreht sich seufzend wieder zu dem Brüller. »Dr. Brandt ist Internist und kein Chirurg«, sagt sie betont ruhig. »Dennis ist noch im OP. Er kommt erst in einer halben Stunde auf meine Station. Wenn ich zaubern könnte, würde ich im Zirkus Krone auftreten. Und nur zu Ihrer Information, es gibt in München auch sehr gute Privatkliniken.« Sie lässt den Mann stehen und verschwindet im Inneren der Schwesternstation.
    »Unverschämtheit!« Dennis’ Vater schüttelt den Kopf und zückt mit großer Geste ein Handy.
    Wir klopfen an die Tür von Mams Zimmer und ich bin erleichtert, als sie »Herein!« ruft, klar und fast so laut wie sonst.
    Ich laufe zu ihr ans Bett und betrachte sie genau. Ihr strahlendes Gesicht wirkt eingefallen, ihre Lider sind gerötet, die grünen Augen umschattet. An ihrem rechten Arm hängt ein Tropf.
    »Mam, es tut mir so leid.«
    Sie nimmt meine Hand, tätschelt sie und ringt sich ein Lächeln ab. »Ruby, das ist doch nicht deine Schuld. Die Ärzte haben mich schon ausgeschimpft, ich hätte weiter essen sollen und vor allem auch trinken, ich habe alles falsch gemacht. Und ich hätte die Schlaftabletten nehmen müssen, die Oliver mir gegeben hat. Der Mensch muss schlafen.« Sie versucht, ein Gähnen zu unterdrücken.
    Schlaftabletten … Wenn ich nur daran denke, läuft mir schon eine Gänsehaut über den Rücken.
    Pa ist an der Tür stehen geblieben. Mam winkt ihn zu sich. »Matthias, komm ruhig her, ich bin viel zu schlapp, um mit dir zu streiten.«
    Er setzt sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite von Mam.
    »Ich darf morgen wieder nach Hause, ich glaube wirklich, mir haben nur Wasser und Schlaf gefehlt. Außerdem müssen wir noch alles für Linas großes Fest vorbereiten.«
    Weil ich keine Ahnung habe, wovon sie redet, schaue ich zu Pa hinüber. Er starrt mich beschwörend an, dann dämmert mir langsam, dass sie die Beerdigung meint.
    »Ja, das müssen wir und wir werden alles genau so machen, wie Lina es gewollt hätte«, sagt Pa und lächelt seine Exfrau an, als würde er sie noch lieben. Nein, nicht als ob, es fühlt sich für mich so an, als würde er sie wirklich noch immer lieben.
    Ich würde gern den Kopf auf Mams Schoß legen und einfach drauflosplappern, so wie früher, als ich klein war. Ich bin aufgewühlt und schrecklich müde zugleich. Und plötzlich merke ich, was für ein riesiges Loch in meinem Bauch ist.
    »Wohin bist du verschwunden den ganzen Tag, Ruby?« Es ist nur ein sehr leiser Vorwurf in ihrer Frage und das wirkt auf mich, als würden sich alle Knochen in meinem Körper auflösen, ich werde ganz weich und zittrig. Gleich werde ich die Beherrschung verlieren und anfangen zu weinen, was für Mams Genesung bestimmt nicht sehr heilungsfördernd wäre.
    Die beiden schauen mich auf einmal ganz komisch an. Unwillkürlich greife ich mir an den Hals und hoffe, sie haben die frischen Würgemale nicht entdeckt.
    »Ich habe Hunger«, sage ich dann schnell und bete, dass das als Antwort

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