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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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steif und ich habe Angst. Mein Herz rast mit jeder Stufe mehr, als würde da oben jemand mit einer Brechstange auf mich warten und sie mir über den Schädel ziehen, aber ich sage mir, dass das Unsinn ist. Niemand weiß, dass ich hier bin, nur John. Noch eine Stufe und noch eine, mein Körper wiegt Tonnen! Ich schiele vorsichtig über den Rand, prompt bewegt sich etwas, huscht vor mir davon. Gut! Wenn ich anderen Lebewesen Angst mache, bin ich sicher der einzige Mensch weit und breit. Ich ziehe mich hoch und setze mich völlig außer Atem vor das Häuschen. Nichts, da ist keiner. Ich spähe in das zweite Häuschen, es sieht auch leer aus.
    Enttäuscht steige ich wieder nach unten und setze mich auf eine der Schaukeln.
    John ist verschwunden und kann sonst wo sein. Aber ich brauche ihn, denn er ist der Einzige, der all diese Puzzlestücke, die ich entdeckt habe, zu einem Ganzen fügen kann.
    Was kann ich jetzt noch tun? Frau Koslowsky anrufen und ihr meine wahnsinnigen Ideen mitteilen, die sich um Tod in der Tiefgarage, schwarze BMWs, rechte Alphatiere und böse Liebe drehen?
    Na klar!
    Nur um in der Geschlossenen zu landen.
    Was sonst? Ich denke wieder an die Galafotos. Das Palasthotel im Arabellapark. Kimoni hat dort gearbeitet und er ist dort gestorben. Vielleicht ist dieses Hotel eine Art Hauptquartier der Alphatiere. Jedenfalls ist das der einzige konkrete Anhaltspunkt, der einzige Ort, den mir Lina mitgeteilt hat. Ich kuschle mich tiefer in ihren Kapuzenpulli, als ob er mir sagen könnte, was ich jetzt tun soll.
    Aber leider flüstert mir keine Stimme aus dem Jenseits zu, was ich tun muss, und weil ich auch keine andere Eingebung habe, gehe ich vor zur U-Bahn am Scheidplatz.
    Als ich endlich an der Endhaltestelle Arabellapark ankomme und aus der Station hochfahre – erleichtert, dass mich die Kontrolleure nicht erwischt haben –, dämmert es schon, was mir wieder Mut macht. Da ich mich hier überhaupt nicht auskenne, muss ich zweimal Passanten fragen, wo es langgeht, obwohl das Palasthotel mit seinen vierzehn Stockwerken unübersehbar in die Höhe ragt. Schließlich stehe ich vor dem Luxushotel und mir wird klar, dass ich gar nicht weiß, wohin ich jetzt will. In den Bankettsaal? Blödsinn, der ist sicher jeden Abend an andere Leute vermietet. Nein, ich schätze mal, es wäre sinnvoller, in der Tiefgarage anzufangen, vielleicht finde ich den Ort, an dem Kimoni ermordet wurde.
    Und der schnellste Weg dorthin wäre wahrscheinlich der, einfach in die Lobby reinzugehen und mit dem Aufzug runterzufahren. Lina würde das bestimmt tun. Locker. Also laufe ich auf die riesige Glastür zu.
    Aber da steht ein Portier, der mich mit seinen misstrauischen Blicken abscannt und so abwehrend schaut, als ob er gleich die Polizei rufen würde. Zugegebenermaßen sehe ich nicht sehr vertrauenerweckend aus in diesem schwarzen schlabbrigen Outfit und mit den Wunden im Gesicht.
    Pah. Ich fasse mir ein Herz, denke an Lina und laufe mit hoch erhobenem Kopf, aber rasendem Puls an ihm vorbei in die Lobby. Tatsächlich kommt er sofort hinter mir her und fragt mich in schleimig freundlichem Ton, ob ich Gast des Hauses wäre oder mit jemandem verabredet.
    Ich merke, wie ich rot werde, verfluche meine Schüchternheit und ermahne mich, gefälligst nachzudenken, statt vor einem lächerlichen Portier in die Knie zu gehen.
    Das hilft. Ich erinnere mich an die Galafotos und mir kommt eine Idee. »Ich bin mit Herrn Wallenstein zum Frühstück verabredet, oben in der Bar«, lüge ich, was das Zeug hält, und hoffe, es gibt eine Bar, und noch mehr hoffe ich, dass man den großen Wohltäter hier auch kennt.
    Der Portier zuckt mit den Schultern, aber ich scheine irgendein Zauberwort gesagt zu haben, denn er nickt mir zu und lässt mich tatsächlich gehen. Ich laufe zum Aufzug, wobei ich mich nur mühsam beherrschen kann, nicht zu rennen. Dabei habe ich ja nichts Kriminelles vor, ich bin doch eine von den Guten! Im Aufzug sehe ich mich im Spiegel und verstehe den Portier noch besser. Ich könnte wirklich eine Drogensüchtige auf Entzug sein. Ich lache mir zu und fühle mich großartig, weil ich dank Lina über meinen Schatten gesprungen bin.
    Ich drücke den Knopf fürs Untergeschoss und fahre in die Tiefgarage. Dort versickert meine gute Laune in dem warmen Gestank nach Abgasen, Öl und Brackwasser. Ein schwarzer BMW fährt an mir vorbei, ausgerechnet, vermutlich fahren die hier tagsüber im Minutentakt durch, und plötzlich kommt mir alles, was ich

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