Dann gute Nacht Marie
Frauchen einen seiner Lieblingskekse an, den er nur widerwillig zu nehmen geruhte, um sich danach beleidigt auf seinen jetzt doch sehr unbequem erscheinenden Sessel zurückzuziehen.
Marie ließ sich von Kasimir die gute Laune nicht nehmen, gönnte sich ebenfalls einen Keks und stellte den Kleidersack in den Flur, um ihn am nächsten Tag auf dem Weg zur Arbeit mit zum Container zu nehmen. ZWISCHENABLAGE.
Wie konnte wohl ein spannender Mordfall im Computermilieu aussehen, um den interessierten Herrn Maibach angemessen zufriedenzustellen und ihre angebliche Romanrecherche in einem guten Licht erscheinen
zu lassen? Noch beim Zähneputzen grübelte Marie über diese Frage, ohne zu einem erschöpfenden Ergebnis zu kommen.
Als sie in dieser Nacht das Licht löschte, hatte sie wieder einmal erfahren müssen, dass sie ihrem Ziel zwar stetig näherkam, der Weg dahin aber zunehmend aufwendiger und komplizierter wurde. Vielleicht hätte sie sich doch mit einer Kurzschlusshandlung, wie sie sie früher öfter in Erwägung gezogen hatte, leichter getan. Diesen Gedanken verwarf sie jedoch sofort wieder, um gleich darauf erneut in Mordplänen und Verschwörungstheorien zu versinken, über denen sie alsbald einschlief. SIE KÖNNEN DEN COMPUTER JETZT AUSSCHALTEN. ENTER.
10
DOKUMENT 10. Wie sollte es anders sein? Als Marie am nächsten Morgen erwachte, war ihr erster Gedanke kriminologischer Art. Das Projekt »Autorenimage« drohte zunehmend seinen Ursprung »Todesplanung« zu verdrängen. Während Marie duschte, dachte sie an mögliche Handlungsstränge, beim Haareföhnen an potenzielle Protagonisten und beim anschließenden Frühstück an deren glückliches oder tragisches Ende. Alles wurde jedoch zunächst noch verworfen und eine Themenfindung wieder einmal verschoben. ZWISCHENABLAGE.
»Wer bin ich denn?«, schnauzte sie schließlich Kasimir an, der sich - keiner Schuld bewusst - vorsichtshalber duckte und die Ohren anlegte. »Fehlt nur noch, dass ich für diese Recherche wieder ein Seminar besuchen muss!« Das schien der Kater - seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen - nun auch übertrieben zu finden, und Marie verließ bestätigt die Wohnung.
Die täglichen Stunden in der Firma kamen ihr inzwischen wie reine Zeitverschwendung vor. Jetzt, da sie neben Plan A (Lebensende) auch noch Plan B (Krimi) zum erfolgreichen Abschluss bringen musste, schien Berufstätigkeit geradezu grob fahrlässig zu sein. Wozu noch arbeiten, wenn man wahrscheinlich kaum mehr einen Monat Lebenszeit vor sich und zudem in der verbleibenden Zeit noch einiges zu erledigen hatte? UNTERSTREICHEN.
Kurz vor ihrem Büro war Marie klar, was die logische Schlussfolgerung daraus war: Sie musste ihren Resturlaub nehmen. Das letzte Hemd hatte nämlich auch keine Taschen für nicht genommene Urlaubstage, die ungenutzt ebenfalls das Zeitliche segnen würden. Man konnte sie schließlich nicht vererben oder sich damit im Himmel eine kleine Auszeit gönnen.
Kurz entschlossen ging Marie nicht - wie vorgesehen - in ihr Büro, sondern geradewegs in die Personalabteilung.
»Hey, dich hab ich ja lange nicht gesehen! Was machst du denn so? Wie geht’s dir?«, begrüßte Andrea sie wie immer wortreich. Einer der Gründe, warum Marie normalerweise nur im äußersten Notfall die Personalabteilung betrat.
Sie ignorierte Andreas Fragen, um gleich zu ihrem Anliegen zu kommen: »Du, ich bräuchte kurzfristig meinen Resturlaub. Lässt sich da irgendwas machen?«
»Mensch, ist was passiert? Geht es dir nicht gut? Ist was mit deiner Familie? Du bist doch sonst nicht so scharf auf Urlaub …« War ja klar, dass man hier nicht so einfach um kurzfristigen Urlaub bitten konnte, ohne entsprechend gelöchert zu werden. RÜCKGÄNGIG?
»Es gibt ein paar persönliche Dinge, die ich dringend erledigen muss. Nichts Schlimmes, aber unaufschiebbar. Kannst du bitte mal nachsehen, wie viel ich in diesem Jahr noch habe?« Am besten schlug man Andrea mit ihren eigenen Waffen und bombardierte sie ebenfalls lückenlos mit Informationen. Es wirkte.
Andrea fragte nicht weiter, sondern rief im Computer Maries Daten auf. »Also … durch unsere Pause im Juli ist ja bei uns allen schon einiges weg … Aber, lass mich kurz
rechnen - bis zum 31. Dezember hast du noch genau zwölf Tage, das wären so zweieinhalb Wochen.« Nicht gerade üppig, um eine Romanrecherche und gleichzeitig das eigene Leben zu beenden.
»Und könnte ich die zwölf Tage sofort nehmen?«
»Das kommt drauf an.« Natürlich. Andrea
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