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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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SUCHEN … Als sie die Treppe der U-Bahn-Station nach oben ging, kam Marie der rettende Gedanke, den »Hartmann-Krimi« im Milieu der Computerbranche spielen zu lassen. So konnte sie wenigstens einen Teil der Geschichte einem Bereich entnehmen, in dem sie sich auskannte und sicher fühlte. Nun war sie schon etwas zuversichtlicher, was ihren neuen »Beruf« als Schriftstellerin anging.
     
    Kurz vor Ladenschluss betrat sie einen nahen Supermarkt, um noch schnell ein paar Kleinigkeiten für die nächsten Tage einzukaufen. An ein Lebensende war in der momentanen Situation nämlich gar nicht zu denken. Um das Regal mit den Oliven machte sie dieses Mal einen großen Bogen, um nicht doch noch ein vergiftetes Glas zu erwischen. Stattdessen kaufte sie etwas frisches Obst, Käse, Brot und Milch.
    Den Rest des Heimweges verbrachte Marie damit, darüber nachzudenken, ob eine Supermarkt-Bestechung mit vergifteten Lebensmitteln nicht vielleicht auch ein gelungener Einstieg für einen Kriminalroman sein könnte. Aber wie war das wohl mit der gewünschten Computerbranche in Einklang zu bringen? Ohne zu einem abschließenden Ergebnis gekommen zu sein, erreichte sie ihre Wohnung. Immerhin hatte sie noch mindestens eine Woche Zeit, bis sie Lutz Maibach ihr Romanvorhaben genauer schildern musste. Und vielleicht
fragte er ja in der nächsten Sitzung gar nicht danach. ZWISCHENABLAGE.
    Das begrenzte Angebot an ausgefallenen Lebensmitteln in ihrem Kühlschrank veranlasste Marie an diesem Abend dann doch dazu, den Pizzaservice anzurufen, was sie eigentlich nie tat. Eine »Quattro Stagioni« war zwar auch nicht so besonders ausgefallen, aber sie war immerhin warm und musste nur noch aus der Schachtel genommen werden. Mit der Pizza und einem Glas Apfelschorle setzte sie sich vor den Fernseher und sah in den Nachrichten so viele Berichte über die verschiedensten Verbrechen auf der ganzen Welt, dass ihr die Lust auf einen eigenen Krimi gründlich verging. Warum überhaupt lange planen und überlegen, wenn man doch am liebsten möglichst schnell das Zeitliche segnen wollte? Andererseits: Was ging sie jetzt noch die Welt an? Sie hatte nur noch die Verantwortung für ihr eigenes Leben beziehungsweise Sterben. Und das ließ sie sich von niemandem nehmen! SPEICHERN.
    Um nach den kriminellen Ereignissen und den kriminaltechnischen Überlegungen der letzten Stunden wieder auf andere Gedanken zu kommen, nahm sich Marie an diesem Abend einen ziemlich unkomplizierten Bereich der Lebenszensur vor, ihren Kleiderschrank. ÖFFNEN. Zunächst machte sie sich an das Aussortieren der Unterwäsche. Ausgeleierte, leicht angegraute und rissige Slips und BHs mussten sofort gehen. Einige noch intakte, aber nicht mehr ganz moderne Teile, wie ein geblümter BH mit Spitze und einige mintfarbene Höschen, folgten ihnen kurz danach in den Altkleidersack.
    Die ungeheuer bequemen, aber leider fleischfarbenen Unterhosen einer längst vergangenen Dessous-Generation
mussten ebenfalls weichen. Eigentlich schade. Die hatte sie immer sehr gern getragen. Sehen durfte sie natürlich keiner. Bleiben durften nur die schlichten schwarzen und weißen Kombinationen und die wenigen mit Spitze versehenen teuren Modelle, die sie sich höchstens für eine neue Beziehung geleistet und nur zu besonderen Gelegenheiten getragen hatte.
    Beim Anblick der doch recht wenigen verbliebenen Wäschestücke wurde Marie wieder einmal schmerzlich bewusst, wie verdammt lang es her war, dass irgendein Mann diesen Teil ihrer Garderobe zu Gesicht bekommen hatte. Mit Ausnahme ihres Haus- und Frauenarztes hatte sie sich in den letzten Jahren vor keinem Mann mehr ausgezogen. Was für eine Bilanz! Und das war wohl auch der Grund, warum sie bei ihrer Wäsche schon lange keinen Wert mehr auf modische Trends legte. Wer kaufte sich schon ausgefallene Dessous für das nur einmal im Jahr stattfindende Date mit seinem Frauenarzt? Vielleicht sollte sie für ihre »Nachlassverwalter« den Bestand doch noch etwas aufstocken. Schließlich musste nicht jedem gleich ins Auge stechen, dass sie jahrelang kein Sexualleben mehr gehabt hatte. SPEICHERN. Was im Übrigen auch in offensichtlichem Gegensatz zu ihren blumigen Schilderungen in Liebesbriefen und Tagebüchern stand. Shoppen war also dringend nötig und kam sofort auf die To-do-Liste.
    Bei den T-Shirts ging das Auswahlverfahren noch schneller. Die meisten durften aufgrund ihres unauffälligen Äußeren bleiben, abtreten mussten nur ein paar langweilige ältere, die

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