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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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Erfolg der Aktion in Frage stellen konnten.
    Nach Beendigung der ausführlichen Ordner-Beschriftung sortierte Marie ihre Fachliteratur neu. SORTIEREN. Während sie die einzelnen Bücher wohlgeordnet nebeneinanderstellte, musste sie sich eingestehen, dass es ihr Spaß machte, Ordnung in ihr bisheriges Arbeitsleben zu bringen. Einige Titel waren noch aus ihrer Studienzeit und weckten so manche Erinnerung an vergangene wissenschaftliche Projekte. Andere riefen beim Durchblättern längst verloren geglaubtes Wissen wach und ein bisschen auch die Lust, sich mal wieder intensiver mit der Materie zu beschäftigen. Nun ja, dafür war es wohl jetzt zu spät. Es war schließlich kaum zu vermuten, dass sie im Himmel auf eine gut sortierte Studienbibliothek mit einer umfangreichen Informatik-Abteilung treffen würde. UNTERSTREICHEN.
    Nachdem alle Ordner und Bücher ordentlich und systematisch ins Regal sortiert waren, sah sich Marie suchend im Raum um, ob noch irgendwo störende, in dieser Form nicht zu hinterlassende Dinge zu finden waren. Sie räumte ein paar persönliche Dinge - ein Foto von Kasimir, einen kleinen Blumenstock, einen Postkartenkalender und zwei verschrumpelte, im firmeneigenen Innenhof gefundene Kastanien - vom Schreibtisch in eine kleine Schachtel und klappte den Deckel zu. Wenn sie die am Abend mit nach Hause nahm, würde niemand nach dem Inhalt fragen, auch nicht die Kolleginnen, die sie etwas besser kannten. Gut. Ein letzter Blick durch den Raum. Fertig. SCHLIESSEN.
    In der Hoffnung, dass der Urlaubsantrag inzwischen
bearbeitet war, rief Marie in der Personalabteilung an. Und, oh Wunder, er war tatsächlich schon erledigt, und der arbeitsfreien Zeit stand nichts mehr entgegen. Nachdem das Büro bereits nachwelttauglich gemacht und sonst nichts Dringendes mehr zu tun war, beschloss Marie, den Urlaub sofort einzuleiten. Sie verließ ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich - zum letzten Mal. Dann ging sie zum letzten Mal an Renates und Schmidts Büro vorbei und die Treppe hinunter zum Ausgang. Ein letztes Mal rief sie den Damen am Empfang ein: »Schönen Abend noch!«, zu und verließ das Haus. Zum letzten Mal. BEENDEN. In die ambivalenten Gefühle mischte sich jetzt ein bisschen Wehmut. Bei allen Intrigen und Niederlagen der Vergangenheit fielen ihr nun auch einige schöne Momente und Erfolge ein. Schließlich hatte sie sich gerade in den letzten Tagen einen deutlich besseren Stand bei ihrem Chef erarbeitet.
    Auf dem Nachhauseweg gingen Marie lustige Betriebsausflüge mit Marianne und Moni, interessante Tagungen zu unterschiedlichen Themen und die erfolgreich bestandene Auseinandersetzung mit Schmidt durch den Kopf. SPEICHERN. Und sie hätte auch noch länger in durchaus angenehmen Erinnerungen geschwelgt, wäre sie nicht auf dem Weg von der U-Bahn-Station zu ihrer Wohnung erneut an der kleinen Buchhandlung vorbeigekommen. Die brachte sie mit einem Schlag wieder zurück in die Gegenwart und zu ihrer durchaus nicht unwichtigen Krimi-Mission.
    Sie betrat eilig den Laden und steuerte zielstrebig auf das Regal mit den Kriminalromanen zu. Das Strahlen im Gesicht der Verkäuferin zeigte deutlich, dass sie sich gerne an ihren letzten recht kaufintensiven Besuch erinnerte
und sich jetzt wohl einen ähnlichen erhoffte. Ihr: »Kann ich Ihnen helfen?«, würgte Marie trotzdem schon im Ansatz mit einem Kopfschütteln ab. Wie sollte sie schließlich dieser Frau, die mit Recht einiges von ihr erwartete, erklären, dass sie heute nichts kaufen, sondern nur eine eindrucksvolle Krimi-Idee klauen wollte? WEITER.
    Bis Ladenschluss blätterte Marie in den verschiedensten Krimis und Psychothrillern, sondierte Inhaltsverzeichnisse, las Klappentexte und schmökerte kreuz und quer durch die unterschiedlichsten Morde und Verbrechen. Sie nahm den Eifersuchtsmord eines verlassenen Geliebten an seiner lebenslustigen Exfreundin zur Kenntnis und jagte Gewalttäter aus dem Strichermilieu. Zu gewöhnlich. Sie ermittelte streckenweise unter islamistischen Terroristen und dann wieder beim mecklenburg-vorpommerischen Hochadel. Zu ungewöhnlich. Sadomaso-Szene, Betriebsspionage, Hochleistungssport, Schutzgelderpressung, Promi-Gala - die Möglichkeiten und sozialen Umfelder für Verbrechen waren so reich gesät, dass man sich fast wundern musste, dass nicht tagtäglich deutlich mehr verübt wurden.
    Wundern musste sich auch die Verkäuferin über die doch sehr ausgeprägte Unentschlossenheit dieser veränderten Kundin, die sich auch nach

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