Dann gute Nacht Marie
Studentin: »Ich finde das echt super spannend mit deinem Buch. Wie heißen denn deine anderen Romane? Ich würde gerne mal einen lesen. Man lernt ja nicht jeden Tag eine Autorin kennen. Und ich steh total auf Krimis.« Na danke. Das Ganze nahm jetzt doch immer unangenehmere Formen an, die Marie leicht überforderten. Gab es denn für sie keine Möglichkeit mehr, ihre Ziele zu verfolgen, ohne dass sie auf irgendeine Art in die Bredouille kam? Langsam wurde ihr das Ganze wirklich zu stressig. Doch zurück konnte sie nun auch nicht mehr, wollte sie nicht ihrem Leben auf der Stelle ein Ende setzen müssen, weil sie sich komplett blamiert hatte. SPEICHERN.
»Ich bring dir beim nächsten Mal eins mit, okay?«
Kluger Schachzug. Und welches bitte schön? Welchen deiner unzähligen Bestseller willst du ihr mitbringen, Marie? Aber immerhin hatte sie es weiterhin in der Hand. Jetzt aus dem Bauch einen Titel zu nennen, der dann weder zu googeln noch zu bestellen oder zu kaufen war, wäre das größere Risiko gewesen. Also wieder einmal: Problemverschiebung auf einen späteren Zeitpunkt.
Birthe war höchst erfreut. »Ach, wie nett. Schreibst du mir dann auch was rein? Man lernt ja wirklich nicht jeden Tag eine Autorin kennen.« Na, das hatten wir doch schon. Die vermeintliche Schriftstellerin versprach auch noch die Widmung - das war schließlich das geringste Problem. Zufrieden zog die Studentin ab, und Marie wollte sich endlich genauer mit ihren Gift-Büchern beschäftigen. Die Hintergründe gelungener Selbstmorde legte sie vorsichtshalber zuunterst in den Stapel auf dem Tisch.
»Na, wen sehen denn da meine hochzufriedenen Dozentenaugen ganz fleißig bei der Erledigung der Hausaufgaben?«
Ja, konnte man in dieser Bibliothek denn überhaupt nicht konzentriert arbeiten? Wie machten das wohl die Studenten dieser Fakultät, die doch viel mehr Kommilitonen kannten als sie?
Marie hob den Kopf und sah geradewegs in die schönen braunen Augen des Herrn Maibach, der sie amüsiert anschaute. Oh nein, auch das noch! »Ja, da sind Sie beeindruckt, nicht wahr? Hatten Sie schon einmal eine so fleißige Studentin, die sich Montagmorgen gleich in aller Frühe in die Arbeit stürzt?« Erst mal ablenken. Ironie ließ wenig Raum für zu konkrete Fragen. So war der Plan … UNTERSTREICHEN.
Lutz Maibach stieg offensichtlich gerne auf ihren saloppen
Ton ein: »Nun ja, eine haben Sie ja gerade getroffen. Die anderen liegen natürlich alle noch im Bett.« Seine Kopfbewegung zu den benachbarten Tischen, an denen bereits einige Studenten saßen, sollte wohl unterstreichen, dass sie beide durchaus nicht allein in der Bibliothek waren. Marie grinste. Bei ihm war ihr so etwas nicht peinlich. Hauptsache, er fing nicht wieder von ihrer ach so interessanten Krimihandlung an.
»Wie wäre es, wenn wir beide eine aufgrund unseres Arbeitseifers durchaus wohlverdiente Stippvisite in der Cafeteria machten und uns dort bei einem Kaffee etwas unterhielten? In diesen heiligen Hallen wird das eher als störend empfunden. Ich würde Sie nämlich gerne etwas Dringendes fragen.« Aus seinem Mund und in ihrer beider Kontext klang das eher wie eine Drohung. Trotzdem wusste Marie nicht, wie sie sein Anliegen abwenden sollte. Zumal sie sich eigentlich ganz gern mit dem Dozenten unterhielt, hätte da nicht das leidige Thema »Krimi« sozusagen zwischen ihnen gestanden. Also willigte sie ein und folgte Herrn Maibach kurze Zeit später in die Cafeteria der Uni.
Der große, helle Raum wäre das ideale Ambiente für ein entspanntes Gespräch zu zweit gewesen, hätte Marie nicht vor lauter Nervosität genau das Gegenteil empfunden. Wer konnte auch damit rechnen, dass sie ihrem Dozenten sofort über den Weg lief, sobald sie das Universitätsgelände auch nur betrat? Im Schutz des Seminars hätte sie sich wenigstens etwas sicherer gefühlt. Hier war sie ihm quasi hilflos ausgeliefert, konnte sich nicht verstecken oder einfach nicht reagieren. Zu blöd, dass sie nach wie vor keine Idee für ihren angeblichen Krimi entwickelt hatte, weil sie in den letzten Tagen ausschließlich
mit anderen Themen beschäftigt gewesen war. UNTERSTREICHEN.
Da ihr Magen inzwischen mehr als hörbar knurrte, nahm Marie zu ihrem Kaffee noch ein Käsebrötchen, das Herr Maibach galant mitbezahlte.
»Sie sehen heute so anders aus«, meinte er, als sie sich an einen Tisch in der Ecke setzten. »Steht Ihnen gut!«
Zuerst wusste Marie nicht, was er meinte, doch dann fiel ihr ein, dass sie heute Morgen
Weitere Kostenlose Bücher