Dann gute Nacht Marie
und die Sache zu einem guten Ende zu bringen. Alles perfekt geplant, hatte Marie befunden und sich am Montagabend mit Kasimir und dem
»Tagebuch der Bridget Jones«, einem ihrer neu gekauften Bücher, gemütlich aufs Sofa gesetzt. Doch leider war es mit der Gelassenheit auch schon bald wieder vorbei, als ihr erneut Birthes Trophäenwunsch einfiel. Woher nur sollte sie bis Mittwoch ein Buch bekommen, auf dem klar und deutlich »Marie Hartmann« stand? Sie war inzwischen zwar versiert in Fälschungen aller Art, doch diese Hausaufgabe sprengte dann doch etwas den Rahmen des Möglichen, fand Marie. Sie hatte also keine Chance, Birthes Wunsch bis zum nächsten Seminartermin zu erfüllen und so ihr Autorengesicht zu wahren. Schlimm genug, dass das bei Lutz Maibach mit erheblichem Zeit-und Nervenaufwand verbunden war. Für die reliquiensammelnde Studentin war nun wirklich kein Platz mehr. Da half nur eine gelungene Ausrede, wie »Huch, vergessen!«, »Leider vergriffen« oder Ähnliches. Das würde sich in den nächsten zwei Tagen sicher finden.
Am Dienstag hätte eigentlich wieder einmal Krimisuche auf dem Programm stehen müssen. Immerhin hing die nächste Begegnung mit Lutz Maibach diesbezüglich wie eine Art Damoklesschwert über Marie. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hatte sie auch an diesem Vormittag nicht einmal den Ansatz eines zündenden Gedankens gehabt. Alle Recherchemöglichkeiten schienen ausgeschöpft und eigene Ideen Mangelware. Wenn man etwas zu sehr wollte, passierte es nie, hatte sich Marie erinnert und ebenso zwanghaft nach einer Ablenkung gesucht. Gegen Mittag war sie wieder zu »Bridget Jones« zurückgekehrt. Sie hatte schließlich Urlaub, da machte man normalerweise Dinge, für die man sonst nie genügend Zeit fand - zumindest gegen Ende des eigenen Lebens, wenn es sowieso nicht mehr darauf ankam.
UNTERSTREICHEN. In der Erzählung von der chaotischen und vielleicht gerade deswegen so liebenswerten Hauptfigur fand sie sich so sehr wieder, dass sie sich wunderte, warum ihr das witzige Buch nicht früher untergekommen war. Vielleicht, weil sie in den letzten Jahren so gut wie gar keine Bücher mehr gelesen hatte?
Nach einem äußerst angenehmen Lesetag jedoch, mit dieser tollpatschigen Bridget, die alle kleineren bis mittleren Katastrophen mehr oder weniger bravourös meisterte, war das schlechte Krimi-Gewissen wieder da. Marie hatte so sehr mit der Hauptfigur gelitten, dass sie die Zeit völlig vergessen hatte. Zumindest mit Alkohol und Zigaretten habe ich keine Probleme, hatte sie gedacht und sich ein weiteres Glas Rotwein eingegossen. Man musste die Feste feiern, wie sie fallen. Und die Tatsache, dass es eine Single-Frau Mitte dreißig mit Gewichts- und Männerproblemen immerhin zur Protagonistin mehrerer Romane und Kinofilme gebracht hatte, ließ doch wohl hoffen. Doch worauf hoffte man eigentlich, wenn man nur noch wenige Tage zu leben hatte?
Auf jeden Fall auf eine ganz spontane Krimi-Idee für Lutz Maibach. Birthe würde ja wohl mit einer mehr oder weniger gelungenen Ausrede abgespeist werden. Für den Dozenten jedoch war das zu wenig. Er wurde schließlich noch gebraucht. Marie rechnete kurz die verbleibende Zeit zusammen und kam auf kümmerliche vierundzwanzig Stunden bis zum Seminar und noch einmal etwa die gleiche Anzahl bis zum Krimidinner, bei dem sie sicher Details würde liefern müssen. Nicht gerade viel für den Entwurf eines ganzen Romans. Nichtsdestotrotz war durchaus etwas daraus zu machen, so man sich disziplinierte. Und das war Maries Plan für die nächsten achtundvierzig
Stunden, der durchaus hätte funktionieren können. Wäre da nicht gegen Abend noch etwas passiert, das ihr Konzept für einen Moment komplett aus den Angeln gehoben hatte. Jetzt - einen Tag später - zog der Vorfall noch einmal an ihrem inneren Auge vorbei.
Da Maries Weinvorrat zur Neige zu gehen drohte, hatte sie sich am Dienstagabend noch einmal unlustig aus ihrer bequemen Bridget-Jones-Welt gequält. Im Supermarkt überlegte sie zum ersten Mal in ihrem Leben, welcher Tropfen wohl unabhängig vom Preis der beste wäre. Früher hätte sie sicher einen der billigsten genommen. Jetzt, am Ende des Lebens, war Geld egal. UNTERSTREICHEN. Sie fragte sogar einen Verkäufer, doch der hatte auch keine Ahnung. Also nahm sie drei verschiedene Sorten aus dem mittleren Preissegment - das Leben war schließlich noch lang … zumindest lang genug für drei Flaschen Wein.
Als sich Marie mit ihrem Einkaufwagen der
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