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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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Sensationen.
    Es gab nur uns.
    Da war der nette Dicke, der so froh war, dass er endlich nicht mehr allein war. Der gar nicht näher hinterfragte, ob er die Frau liebte, für die er alles zu tun bereit war. Weil er einfach so glücklich war, dass er endlich jemanden hatte. Und da war Gabi, die irgendwie damit einverstanden war, dieser Jemand zu sein.
    Meine Eltern waren über die neue Entwicklung übrigens nicht gerade erfreut. Natürlich wünschten sie ihrem Sohn das Glück mit einer Frau. Aber doch nicht mit dieser. Gabi war nicht eben der Prototyp der herzlichen, kommunikativen, adrett-süß-pflegeleichten Schwiegertochter in spe. Gabriele war vielmehr der Gegenentwurf all dessen. Sie war nicht die, die den Vorstellungen meiner Mutter entsprach, sie entsprang eher ihren Alpträumen: wortkarg, mürrisch, distanziert – eben nicht familienidyllkompatibel. Das alles … nein, ich , war eine große Enttäuschung für meine Mutter. Sie übertrug dieses Gefühl ungedämpft auch auf meinen Vater. Es begann die Zeit, in der der gutmütige, gemütliche Christian widerspenstig wurde und sich gegen seine Mutter auflehnte. Und dann trennte ich mich nicht nur von ihren Rockschößen, sondern verschmähte auch noch den Inhalt ihrer Töpfe. Ich verursachte regelmäßig Ärger. Aus heutiger Sicht war das keine schlechte Entwicklung. Die Zeit mit Gabi half mir dabei, mich zu emanzipieren. Wenn sie auch zunächst Gabi dabei half, ihr Leben zu meistern, oder besser: von mir meistern zu lassen.
    In der ersten Zeit war die Szenerie die ewig gleiche. Wir führten schwierige Telefonate, die noch viel schwieriger wurden, weil Gabi bisweilen dazu neigte, dabei zu schweigen. Also fuhr ich hin, die Tür stand schon offen, als ich oben ankam. Ich setzte mich auf die im Verhältnis viel zu große Zweiercouch unter der Dachschräge, die ihr acht, vielleicht neun Quadratmeter kleines Jugendzimmer noch erdrückender wirken ließ. Und ich blieb. Lange. Bis in die Nacht. Manchmal lagen wir auf dem Bett. Mutter nebenan. Und wenn alle schliefen, ging ich heim. Meistens.
    Gabi redete wenig bis nichts. Sie verschwieg ihr Leben lieber. Vielleicht, weil sie wusste, was mir Kommunikation bedeutete. Was Gabi selbst mir bedeutete. Es quälte mich bisweilen jede Sekunde. Sie schaffte es, mich einen Tag und eine halbe Nacht lang schweigend zur innerlichen Weißglut zu bringen. Das erschöpfte mich.
    Es fällt mir schwer, die Beziehung zu Gabi als leidenschaftliche Liebesbeziehung zu bezeichnen – oder sie als solche zu empfinden. Ja, sie war die erste Frau in meinem Leben. Ja, wir waren sehr lange ein Paar. Ja, die erste Trennung von ihr, viele Jahre später, war alles andere als leicht, und sie missriet nicht unbedeutend. Aber ich könnte dennoch nicht behaupten, dass ich mich ihr jemals von ganzem Herzen vorbehaltlos hingegeben habe. Und ich denke, sie würde das Gleiche sagen. Vielleicht war es die Sehnsucht danach, die ich als schmerzend empfand und die jetzt gestillt wurde, was nicht mit weniger Schmerzen verbunden war. Was nun? Geht es weiter? Wie?
    Ganz zu Beginn war sie mehr eine Art Trophäe, die ich mir innerlich überreichte – der Beweis: Ja, auch der dicke Frommert kann eine Freundin haben, auch er hat eine abbekommen. Gabi war eine Erleichterung, und zwar dergestalt, dass ich nun nicht mehr darum kämpfen musste, jemanden zu finden. Da war ja jemand. Ich hatte ja jemanden. Ich hatte Gabi. Und sie hatte mich. Mit Haut und Haaren. Ich weiß nicht, aus welchen Gründen sie mich, ausgerechnet mich, den netten Dicken, als ihren Freund erwählt hat, und ich wollte mir darüber auch keine Gedanken machen, nur ja keine Zweifel nähren. Es war gut, so wie es war: Ich war nicht allein, Gabi war da.
    Obwohl ich letztlich sagen müsste: Christian war da, und zwar für sie. Ich legte ihr alles zu Füßen, mein Herz und meine Seele. Hier, nimm’s, kannst du gerne haben. Denn mir kam es darauf nicht so sehr an. Das war im Rundum-Christian-Paket inklusive. Ich breitete mein komplettes Repertoire aus. Und sie nahm es in Anspruch. Sie konnte nicht anders. Es gab kein Entrinnen, ich kannte keine Gnade. Vor allem nicht mit mir. Ich ließ sie wachsen und gedeihen, meine selbstaufopfernde Art, immer alles für andere zu tun. Auf mich als Mann oder Kerl kam es dabei weniger an. Ich war ein Kümmerer und Besorger, machte gern Geschenke und hatte kein Problem damit, als Gabis Shuttle Service zu fungieren.
    Apropos: Im Sommer 1987 war Gabi zu einer Fete eingeladen.

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