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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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Thorsten zu Gabi.
    An diesem sechsten April aber hatte Gabi thorstenfrei. Im Fernsehen liefen diese grünstichigen Bilder, aufgenommen scheinbar durch ein Nachtsichtgerät. Man sah Luftbilder von Gebäuden, die wenig später, von Raketen getroffen, nur noch als helle Flecken kurz wahrzunehmen waren. Es war wie eine Computersimulation, aber es war Krieg. Gut zwei Wochen vorher hatte der zweite Irak-Krieg begonnen. Gabi und ich ließen uns in Frieden. »So kann das doch nicht weitergehen«, sagte ich plötzlich und unerwartet. Und dieser Satz schoss raketengleich durch den Raum. »Im Irak?«, fragte Gabi. Noch ehe ich antworten konnte, schob sie den Satz nach, der mir Absolution erteilen sollte für alles, was folgte: »Wenn du willst, dass ich ausziehe, ziehe ich aus …«
    Stille. Das war’s. Schluss. Aus. Vorbei. Das Ende einer 17 Jahre währenden Beziehung. Eine, die scheinbar alles ausgehalten hat. Die uns Hornhaut wachsen ließ. So dick, dass wir schon lange nicht mehr merkten, was wir uns eigentlich antaten. Keine Träne wurde vergossen. War was? Gute Nacht! Für mich war klar: Gabi hatte längst mit mir abgeschlossen, sie hatte nur darauf gewartet, diesen Satz loswerden zu können: »Wenn du willst, dass ich ausziehe, ziehe ich aus …« Es gab nichts mehr zwischen uns, das es zu beweinen galt. Außer der Frage vielleicht, was da zwischen uns gewesen war und wann wir uns zunächst verirrt und dann verloren hatten.
    Wir lebten noch eine Zeitlang unter einem Dach. Gabi suchte eine Wohnung, über die Ergebnisse schwieg sie. Wir schwiegen oft in diesen Wochen. Manchmal wurde es auch hysterisch. An einem warmen Juli-Sonntag kam ich von einer meiner seltenen Dienstreisen zurück, die mich in die Telekom-Zentrale nach Bonn geführt hatte, um von dort aus weiterzureisen zur Hochzeit einer Kollegin, die in Kochel am See »Ja« sagte. Etwas, das mir persönlich wahrlich fernlag. Aber ich hatte Freude, Sympathie und Respekt für die Menschen, die diesen Versuch wagten
    Als ich von meiner Reise wiederkam, traf mich der Schlag. Gabi war weg. So weit, so gut. Aber mit ihr war sehr viel Mobiliar gegangen. Und plötzlich spürte ich doch so etwas wie Trennungsschmerz. Wo war der Spiegel? Warum auch das Kissen? Die Blumenvase auch? Wo ist mein Strandkorb? An allem, was fehlte, hing plötzlich mein Herz, eine Erinnerung, eine verklärte Romantik. An Gegenständen, die ich vorher kaum wahrgenommen hatte. Plötzlich hatten sie Bedeutung für mich. Jedes Messer, jede Kerze, einfach alles. In den nächsten Wochen wendete ich eine nachgerade übermenschliche Energie auf, um den Hausstand so wieder herzustellen, als sei nichts geschehen. Ich überzeugte Lieferanten davon, mir auch noch am Samstagnachmittag Ware ins Haus zu schleppen. So entstand Stück für Stück der Nachbau des alten Ambientes für ein neues Leben. Ich lernte schnell und vor allem dies: Haushalt ist kein Buch mit sieben Siegeln und auch Männersache.
    Trotz allen Aktionismus, trotz aller Arbeit und manch emotionaler Verstrickung in diesen Tagen gab es auch die Phasen, in denen ich ratlos war, leer. Voll mit trägemachendem Selbstmitleid. Dann starrte ich vom lindgrünen Sofa aus durch das große Fenster auf einen tristen Himmel voller dunkler Wolken. In mir kam damals zum ersten Mal der Gedanke auf, wie es wäre, jetzt auf einer Brücke zu stehen, Blick nach unten ins Nichts – oder in die Ewigkeit. Es war diese Art von Leere, dieses: Was kommt jetzt? Dieses dicke, lebensgroße Fragezeichen. Und nur unbefriedigende Antworten. Gabi war weg. Ich stand vor der Frage: Was nun? Und warum ruft keiner an?
    Und dann kam wie eine Antwort die Frage aus der Geschäftsführung, ob ich nicht in die Verlagsspitze wechseln wollte. Wieder nahm eine Kraft von außen sich meiner an. Nicht gänzlich unerwartet. Ich hatte vorher immer mal wieder Ideen geäußert, dieses oder jenes zu optimieren. Und ich hatte den geradezu unerhörten, aber wohl eben nicht ungehörten Vorschlag gemacht, eine nicht nur für FR -Verhältnisse bis dahin undenkbare Einheit zu gründen: eine Gesellschaft, die Teile der redaktionellen Arbeit übernimmt. Das gab es damals in dieser Form noch nicht. Eine eigene Gesellschaft zuständig für Sonder-, Anzeigen-, Serviceseiten. Der Betriebsrat war natürlich außer sich, weil er ob solcher Überlegungen reflexartig außer sich sein musste. Jeder wusste, es wird verhandelt, es wird eine Einigung geben. Halb so wild. Viel schlimmer für mich: In den Augen von Storz

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