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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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mit herbeizuführen. Ich verkörperte vor Ort die Deutsche Telekom AG, einen milliardenschweren Konzern. Und als Manager in der Sponsoring-Kommunikation, noch dazu in dieser Lage, war meine erste Priorität, mein erstes Ziel: Schaden vom Sponsoren abzuwenden, Image wenn schon nicht aufzubauen, so zumindest versuchen zu erhalten. Ich musste um jeden Preis verhindern, dass die Telekom in Zukunft als Stallwart der Doping-Radler in Verruf geriet. Also warf ich mich in die Bresche, vor Journalistenscharen, Bluthunde und Blutbeutel. Ich merkte nicht, wie sehr ich das Gesicht des Dopings wurde. Tauchte ich irgendwo auf, wurde unmittelbar assoziiert: Rad, Betrug, Doping. Wenn ich selbst mit dem Rad fuhr, natürlich in magentafarbener Klamotte, jubelte man mir entweder hinterher, oder aber ich wurde unflätig beschimpft. Irgendeinen Kommentar fing ich mir immer ein. Immer versuchte ich zu reagieren, immer bodenständig, nett und freundlich, auch wenn es in mir bisweilen ganz anders aussah. Wie gesagt, ich war ja eine Visitenkarte auf zwei Beinen.
    Die Tageszeitung Die Welt schrieb damals: »Man fragt sich, wo er diesen ganzen Dreck hinsteckt?« Eine Frage, die ich zunächst nicht mal ansatzweise verstand und mir schon gar nicht stellte. Damals. Ich war wieder in meinem Element, der Christian vom Dienst, der jeden Tag eine neue Medienlektion lernte und auch gleich anwendete. Learning by doing. Nur konsequentes Durchgreifen und rückhaltlose Aufklärung konnten jetzt noch Schlimmeres verhindern. Transparenz, Offenheit. Kein Wischiwaschi, sondern Klartext. Offensiv, aktiv. Nicht alle fanden Gefallen an dieser Strategie, über die ich auch hätte stolpern können. Doch ich konnte mir der Rückendeckung zweier wichtiger und einflussreicher Telekom-Manager gewiss sein: Philipp Schindera, Kommunikationschef von T-Mobile und als solcher Sprachrohr des Mannes, der schließlich alle Verantwortung trug, René Obermann, damals Chef der Mobilfunk-Tochter eines Großkonzerns, den er wenige Monate später leiten sollte. Meine Interpretation von Kommunikation bedeutete aber auch die Verweigerung jeglicher Radsport-Romantik. Ich musste anhand von Fakten im Sinn meines Arbeitgebers entscheiden. Und ich konnte das. Ich schaltete alles andere ab. Mein Mitgefühl, mein Bedauern, meine Angst vor dem Mediengewitter, das kommen könnte. Das kommen würde.
    Ich verschob diese Gedanken und Gefühle in einen anderen Teil meines Kopfes, wo sie mir nicht so auffielen, nicht allzu sehr störten. Sicher verstaut. Das machte es mir vielleicht einfacher, all diese Worte erst zu denken und dann auszusprechen. Manchmal war es auch umgekehrt. Es war vieles Intuition in diesen Tagen. Es war authentisch.
    Zurück im Team-Hotel »Au Boeuf«, diesem historischen Ort in der Provinz, an dem sich am 19. Juli 1977 die Staatschefs von Frankreich und Deutschland, Valéry Giscard d’Estaing sowie Helmut Schmidt zusammen mit ihren Außenministern »Bonjour« sagten, jagte eine Gesprächsrunde die andere. Und in allen führte ich das Wort. Meine Expertise war gefragt. Manchmal entstand sie erst beim Reden. Wie gehen wir vor? Was nutzt wem? Was nicht? Ich entwarf Szenarien und verwarf sie wieder, es entstand so etwas wie eine Strategie. Und an meiner Seite hatte ich loyale, regulierende Mitstreiter: Eisenga, Wagner, Hornung, Schindera – sie gaben dem Ratgeber Rat. Wir ergänzten einander.
    Und dann war es da, mein erstes TV-Interview, live im Mittagsmagazin des ZDF . Ich ließ es über mich ergehen, an mir herumzerren, steckte mir Stöpsel ins Ohr, Kommandos dröhnten in den Ganglien. Es war wie eine Art Countdown. …. 3 … 2 … 1 – Dann war er da, um kurz nach zwölf, der Start in einen neuen Lebensabschnitt. »Gut gemacht«, hieß es aus dem Sendezentrum in Mainz, »aber das nächste Mal die Hand aus der Hosentasche.«
    In der steckte auch mein Handy. Es vibrierte nicht lange nach Ende meines Interviews. Eine SMS . Eine Kurzmitteilung von Jan. Ich werde sie nie vergessen: »Ihr seid mir schöne Freunde …«, waren die ersten Worte. Ich las weiter und konnte nicht glauben, was ich sah. Um 12.30 Uhr hatte noch keiner den Mut gefunden, ihm zu sagen, dass er nicht würde mitfahren können bei dieser Tour. Ich lief in den zweiten Stock des Hotels hinter mir, das zuvor als Kulisse für meinen Open-Air-Auftritt gedient hatte. Jan saß in seinem Zimmer, das laut Belegungsplan das seiner Physiotherapeutin war. Er machte das immer so, auf dass kein Unbefugter Einlass

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