Dann klappt's auch mit dem Doktor
ihr! Denner psychologisiert ständig herum, sie mache das nur, weil sie zwar Mutter zweier Söhne sei, aber sich im Grunde immer eine Tochter gewünscht habe. Der ist ja bloà neidisch.
Auf der Fensterbank stehen zwei weiÃe Orchideen. Denners Oma-Pflanzen sind dagegen auf dem Schrank gelandet. Er hat sie selbst dorthin gestellt. Ich habe wirklich keinen Schimmer, warum er die nicht einfach wegwirft. Immerhin hat die Reinigungsfachkraft sogar dafür gesorgt, dass die Vorhänge gereinigt wurden. Dabei wurde aus einem staubigen Tannengrün ein sattes frühlingshaftes Lindgrün. So sieht das Büro doch gleich viel freundlicher aus. Der Hausmeister, zu dem ich schon immer einen guten Draht hatte, hat hinter der Tür Kleiderhaken angebracht und die Bilder, die mir meine kleinen Patienten geschenkt haben, aufgehängt. Auf meiner Seite des Zimmers natürlich. Das Einzige, was hier stört, ist das Dennerâsche Chaos im Hintergrund.
Dort sind immerhin die pelzige, zum Leben erwachte Kaffeekanne und die alten Jahrgänge der Teetassen verschwunden. Dafür haben sich während der letzten Woche wieder mindestens elf neue angesammelt. Zum Glück stehen unsere Schreibtische jeweils an der gegenüberliegenden Wand. Da wir so Rücken an Rücken sitzen, muss ich mir dieses Desaster nicht die ganze Zeit ansehen.
Denner und der Rest des Teams sind bereits am frühen Nachmittag ins Wochenende gestartet. So habe ich meine Ruhe, um meinen Teil des Büros endlich fertig einzurichten.
Die gute Seele Frau Goldstein tut wirklich alles, um mir den Einstieg bei Moby Fit so angenehm wie möglich zu gestalten und ermahnt Denner immer wieder zur Ordnung. Eigentlich sollte ich das selbst tun. Wenn ich nicht bald lerne, meine Autorität unter Beweis zu stellen, werde ich niemals aufsteigen.
Inzwischen gibt es allerdings eine Sache, die mich an Denner wirklich beeindruckt. Er findet in seinem Chaos alles in maximal zwei Minuten. Ich habe die Zeit gestoppt, da ich es nicht glauben konnte, wie fix er angeforderte Fachartikel, Akten, Befunde und was auch immer aus dem exakt richtigen Papierhaufen zieht.
Ich hingegen bin ohne Post-its, To-do-Listen und eine idiotensichere Ordnung völlig aufgeschmissen. Ich rücke noch einmal die Datenmüllbox zurecht, in der ich alle nicht mehr benötigten Papiere, die mit Patientendaten versehen sind, sammele. Einmal pro Woche leert die Putzfrau diese Box und schreddert den Müll, damit keine sensiblen Daten in fremde Hände gelangen. Ein toller Service, in den ich nun dank der Ambulanz komme. Auf den Stationen müssen wir alles selbst schreddern. So, mein Bürobereich sieht perfekt aus.
Aber dann entdecke ich auf dem Drucker eine alte, angeschlagene Tasse mit einem bereits leicht grünlich schillernden Teerest. Das geht gar nicht. Der Drucker gehört uns beiden. Ich stelle die Tasse demonstrativ mitten auf Denners Schreibtisch. Bei seiner Unordnung bemerkt er das sicher nicht einmal.
Während ich meine Jacke vom Kleiderhaken nehme, werde ich von der plötzlich auffliegenden Tür unsanft an der Schulter getroffen. »Aua.«
»Oh, Frau Plüm. Entschuldigen Sie bitte, ich wusste nicht, dass Sie noch hier sind.« Es ist Denner, der mich überrascht anblickt. Er scheint sich noch nicht daran gewöhnt zu haben, sein Reich teilen zu müssen. »Was stehen Sie auch hinter der Tür rum?«
»Ich stehe hier nicht rum, ich habe meine Jacke vom Kleiderhaken genommen.« Ich reibe mir die schmerzende Schulter.
»Ach so, ja.« Auch daran scheint er sich noch gewöhnen zu müssen.
»Ich dachte, Sie wären schon nach Hause gegangen«, bemerke ich möglichst beiläufig und versuche, meinen Ãrger über seine Rüpelhaftigkeit runterzuschlucken.
»War ich auch. War ich auch. Aber ich muss noch einen Artikel vorbereiten und brauche dafür ein paar Unterlagen.« Er wühlt in seinen Papierstapeln.
»Na gut, Herr Denner, ich geh dann mal.«
»Ach, Frau Plüm, eine Sache noch, habe ich vorhin völlig vergessen Ihnen zu sagen: Sie sollen Ihre Mutter zurückrufen.«
»Meine was?«
»Ihre Mutter? Sie haben doch eine oder?«
So ganz akut wünschte ich, ich wäre Waise.
»Ja schon, aber woher wissen Sie �«
»Sie hat angerufen, als Sie bei der Stationsvisite waren. Sie scheint sich Sorgen um Sie zu machen.«
O nein. Bitte nicht. Ich habe meiner Mutter
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