Dann klappt's auch mit dem Doktor
ihr noch, wie wir damals nach dem Studium angefangen haben zu arbeiten? Caro ist bei jeder Blutentnahme ohnmächtig geworden, wir haben uns in der Klinik pausenlos verlaufen, ich wurde für eine Patientin gehalten, die sich als Ãrztin verkleidet hat, und du, Anna â¦Â«, Vera kommen jetzt schon die Tränen vor Lachen.
Ja, ich Anna. Ich wurde an einem Tag dreimal von einem äuÃerst witzigen Patienten auf dem Klo eingesperrt. Der Knabe montierte einfach jedes Mal von auÃen den Griff ab. Wer schenkt einem Zehnjährigen auch einen Akkuschrauber? Dass ich so oft auf die Toilette musste, lag an meiner Nervosität. Ohne Selbstbewusstsein, mit Angst vor den unheimlichen Patienten und jeder Menge unnützem Studiumswissen in den Köpfen, taperten Vera und ich damals planlos durch die Kinderklinik. Ich tat einfach immer das, was mir die erfahrenen Krankenschwestern empfahlen. Dann teilte ich Patienten und Eltern »meine« Entscheidung mit. Bei Reaktionen wie »Danke, Frau Doktor, vielen, vielen Dank, dass Sie uns geholfen haben«, fühlte ich mich wie eine Hochstaplerin.
Caro bekam ihre Ohnmachtsanfälle beim Anblick von Blut zum Glück rasch in den Griff. Dafür mussten allerdings wir herhalten. Sie nahm uns einfach so oft Blut ab, bis ihr nicht mehr schwindelig wurde. Vera und ich liefen wochenlang wie Drogensüchtige mit blau gepiksten Armen und Händen herum. Schon ganz gut, dass uns heute fast nichts mehr abschreckt und wir wissen, was wir tun. Meistens zumindest.
»Es nervt einfach, dass Denner, der Prototyp eines langweiligen SpieÃers, mich so von oben herab behandelt«, lenke ich wieder zu dem mich unablässig beschäftigenden Thema hin.
»Zeig ihm, was du drauf hast, und gib ihm âne Chance. Was anderes bleibt dir gar nicht übrig«, empfiehlt Caro. »Er hatâs mit dir auch nicht leicht: Erstens stehst du sowieso nicht auf Psychologen, und zweitens machst du ihm bestimmt ständig den indirekten Vorwurf, dass er dir die Ambulanzleitung geklaut hat.«
»Aber drittens, ist er eine Moralapostel-Nervensäge, die einem den besten Tratsch verdirbt«, ergänzt Vera.
Tratsch! Das hatte ich fast vergessen. Bei der heutigen Aufregung konnte ich mich gar nicht um die Möslis und Dietrichs dieser Welt kümmern.
Vera scheint manchmal wirklich Gedanken lesen zu können: »Anna, du hast heute übrigens echt was verpasst.«
»Was denn? Hat Dr. Möslis Frau ihm öffentlich eine Szene gemacht?«
»Nein, nein, an dieser Front ist es ruhig. Aber du hast es fast getroffen. Frau Dietrich ist heute Morgen vorbeigekommen, um ihren angebeteten Gatten zum Dienstende mit einem Frühstück zu überraschen. Sie dachte, er müsste mal wieder länger arbeiten. Er war aber gar nicht zum Nachtdienst eingeteilt. Und auf ihre fassungslose Nachfrage hin, wo er denn sei, habe ich ihr einfach gesagt, dass er längst zum Frühdienst da sein müsse, aber vielleicht wieder im Stau stehe, so wie neulich. Daraufhin ist sie völlig ausgeflippt, weil er ja eigentlich immer mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt.
Dietrich ist in diesem Moment in die Notaufnahme gekommen und hat seine vollkommen hysterisch zeternde Frau hinter sich her zum Parkplatz gezerrt. Sah aus, als würden sich die beiden ordentlich zoffen. Ich konnte aber leider nichts verstehen.«
»Vielleicht bin ich dann ja jetzt aus dem Schneider«, bemerke ich hoffnungsvoll.
»Na ja, kann schon sein.«
Moment mal, hat Vera auf meine Anmerkung, dass sich mein Dietrichâsches Problem erledigt haben könnte, wirklich mit âºna ja, kann schon seinâ¹ geantwortet?
»Was heiÃt hier âºna jaâ¹?«, hake ich nach.
In meiner blühenden Phantasie haben sich in den letzten Tagen vor meinem inneren Auge bereits eine Menge gruseliger Szenen abgespielt, in denen Frau Dietrich mich wahlweise erwürgt, mit dem Auto überfahren, mit einem Fleischermesser auf mich eingestochen oder fiese Zettel über mich an die Pinnwand gehängt und so meine Karriere zerstört hat.
»Keine Sorge, das wird schon«, meint Vera nur.
»Was willst du damit sagen?« Langsam werde ich ungeduldig.
Vera schweigt. »Was ist los?«
»Nun ja, ich wollte nicht, dass du dich unnötig aufregst. Du machst dir ja immer gleich so viele Gedanken«, räumt sie zögernd ein.
»Vera! Was verschweigst du?«
»Also gut, Frau Dietrich hat vor
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