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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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deine Mutter wartet auf ihre Balkonblumen. Aber ich freue mich, wenn du mir morgen wieder hilfst. Kommst du wirklich?«
    Ich muss trocken schlucken.
    Â»Klar«, bringe ich hervor, meine Stimme fühlt sich auf einmal rau an, »so um dieselbe Zeit wie heute?«
    Â»Bring ein bisschen Zeit mit«, bittet sie. »Dann zeige ich dir was.«
    Delia lässt meine Hand los und legt ihre ganz kurz auf meinen Arm, dann dreht sie sich um und entfernt sich. Als ich in meinem Auto sitze und vom Hof fahre, sehe ich sie im Rückspiegel, im selben Moment dreht sie sich um und blickt mir nach. Dieses Leben in ihr, diese blitzenden Augen. Ich fahre auf Wolken nach Hause.
    9.
    Den nächsten Nachmittag kann ich kaum abwarten. Ich werde Delia wiedersehen, sie hat zugestimmt, ich werde wieder in ihrer Nähe sein, werde mich wieder so gut, so gelöst fühlen wie schon gestern in ihrer Gegenwart. Den ganzen Vormittag lang in der Schule muss ich an sie denken, nur mit Mühe gelingt es mir, im Unterricht einigermaßen bei der Stange zu bleiben und in den Pausen nicht nur Schwachsinn zu labern, sobald Paul oder Annika mich ansprechen.
    Zum Glück versucht keiner von beiden nach der letzten Stunde, mich zu einem Treffen zu überreden. Wahrscheinlich wäre ich an der Reihe, etwas vorzuschlagen, und da ich es nicht tue, sondern Annika nur einen flüchtigen Kuss auf die Lippen drücke und in Pauls erhobene Hand einschlage, ehe ich mich auf mein Rad schwinge und wie gejagt in die Pedalen trete, haken sie nicht nach. Zu blöd, dass ich morgen mit meiner Präsentation in Deutsch dran bin, ich habe erst ungefähr die Hälfte geschafft, aber ich kann jetzt noch einiges tun, weil Delia sowieso erst um sechzehn Uhr im Laden anfängt zu arbeiten, und notfalls lege ich hinterher eine Nachtsitzung ein. Ich muss sie sehen. Mit ihr zu reden, war gestern für mich wie eine neue, nie gekannte Lebensquelle, ich könnte süchtig werden nach diesem Gefühl.
    Meine Mutter ist nicht da, als ich nach Hause komme. Auf der Arbeitsplatte in der Küche liegt ein Zettel, Im Backofen steht Gemüseauflauf, er müsste noch warm sein, wenn Du nach Hause kommst. Am besten, Du isst mit Nati zusammen, sie hatte eine Stunde eher Schluss und wartet sicher auf Dich. Bin mit Papa unterwegs, Besorgungen machen. Kuss Mama.
    Sie sind beide nicht da, sehr gut. Ich klopfe an Natis Zimmertür, doch niemand antwortet, vorsichtig öffne ich einen Spalt, im selben Moment ertönt das Kurzmitteilungssignal meines Handys in der Hosentasche. Bin noch mit ein paar Leuten aus meiner Klasse beim Türken, Döner essen, wartet nicht auf mich. Gehen vielleicht noch ins Kino. Bis später, N.
    Noch besser. Nichts gegen meine Schwester, aber heute bin ich froh, die ganze Wohnung für mich zu haben. Den Auflauf nehme ich mit in mein Zimmer und setze mich gleich an den Computer, öffne die Datei mit meiner Präsentation, Thema Vergleich der Werke Faust 1 von Goethe und Woyzeck in Bezug auf Verführer und Verführung. Noch während ich meinen bisher geschriebenen Text durchlese, um nahtlos daran anknüpfen zu können, spüre ich, dass es nicht nur Delia ist, auf die ich mich freue wie ein kleiner Junge auf den Rummelplatzbesuch. Es ist auch die Arbeit dort draußen. Kisten schleppen, an der Luft sein, den nahe gelegenen Wald einatmen. Die Stärke meiner Armmuskeln spüren, etwas tun, das nicht mit dem Schreibtisch, dem Bildschirm und der Schule, dem Abistress zu tun hat. Meinen Körper spüren, mich bewegen, Pflanzen berühren, Blütenblätter durch meine Finger gleiten lassen, über ihre samtene Oberfläche streichen. Denken, was ich will, nicht was ich muss. Nichts über Faust und seine erfundenen Probleme von vor über zweihundert Jahren lernen, sondern Delia zuhören, die alle Blumen zu kennen scheint und vielleicht die Geschichten der Menschen kennt, für die sie Sträuße gebunden und Gestecke angefertigt hat. Draußen malen, irgendwann einmal. Das habe ich schon ewig nicht mehr getan.
    Verführer und Verführung. Meine Gedanken schweifen ab, natürlich sehe ich bei diesen Worten Delia vor mir, stelle mir ihren Körper nackt vor, ich schließe die Augen und male mir aus, wie es sein muss, sie zu streicheln, mit meiner Hand über ihren bloßen Rücken zu fahren, ihren Hals zu küssen, die frohen, lachenden Lippen. Minutenlang lasse ich mich fallen in diese

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