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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Fantasie, dann versuche ich wieder, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, jedes geschriebene Wort, das auf dem Display meines Laptops erscheint, bringt mich näher zu ihr.
    Das Schloss unserer Wohnungstür, Schritte im Korridor. Ein Schlüsselbund landet unsanft in dem Porzellanschälchen auf dem Schuhschrank, in das wir alle immer unsere Schlüssel legen. Vaters Räuspern, das geräuschvolle Schließen der Badezimmertür, kurz darauf das Rauschen des Wasserhahns, wieder hat er ihn viel zu weit aufgedreht, wie immer, wenn er sich aufregt. Ich schüttle meinen Kopf wie ein Labrador, der aus dem Wasser steigt und starre krampfhaft auf den Bildschirm, versuche mich wieder zu sammeln, zu konzentrieren. Doch ehe ich wieder registriere, was ich lese und irgendetwas davon sich seinen Weg in mein Gehirn bahnen kann, wird die Tür zu meinem Zimmer aufgestoßen und mein Vater steht im Raum, die Brust gestrafft. Sein Gesicht wirkt verzerrt wie eine Fratze.
    Â»Es ist nicht zu fassen«, poltert er. »Dieser Herr Brückner hätte lieber in einer Baumschule arbeiten sollen, statt dass man ihn auf die künftige Elite unserer Gesellschaft loslässt. Der Mann ist komplett ungeeignet für seinen Beruf! Andernfalls hätte der Herr wohl kaum tatenlos zugesehen, wie mein Sohn langsam aber gewiss sein Abitur in den Sand setzt. Deine Note in Mathematik ist kaum noch zu retten, weißt du das, Maximilian? Weißt du das?«
    Brückner, er war bei Brückner, schießt es durch meinen Kopf. Ich hätte es verhindern sollen, um jeden Preis, hätte Herrn Brückner warnen müssen.
    Â»Ich weiß, dass ich im Moment nicht gut stehe«, antworte ich wie hinter einem Nebel. »Aber vor dem Abi schreiben wir noch einen Test, und wenn ich den packe und mich im Mündlichen steigere, haut es bestimmt noch hin.«
    Â»So, meinst du.« Mein Vater durchmisst den Raum mit langen Schritten, zum Glück hört man es auf meinem Wollteppich nicht so penetrant wie auf dem Parkettboden im Wohnzimmer. »Da habe ich aber andere Informationen. Du müsstest mindestens dreizehn Punkte erreichen, um in der Gesamtnote keinen Leistungsausfall zu kassieren. Alles darunter bedeutet ein Aus für dein Abitur. Und das sagt der Mann mir jetzt! Jetzt, wo alles schon so gut wie verloren ist, und dabei redet er auch noch immerfort von deiner Kritzelei, ganz als ob er sich in den Kopf gesetzt habe, dir eine Begabung einzureden. Dir Flausen in den Kopf zu setzen, du könntest damit etwas erreichen. Mit Bildern.« Er spricht dieses Wort aus, als spucke er auf den Boden. »In der heutigen Zeit ist das ein Ding der Unmöglichkeit.«
    Â»Ich war nicht das ganze Jahr über so schlecht wie jetzt. Ein paar Punkte sind da schon zusammengekommen.«
    Â»Aber es reicht nicht aus, Maximilian! Du brauchst dreizehn Punkte, das wäre eine Eins Minus, die du mit einer Drei in diesen kleinen Tests hier und da nie hinbekommst! Du weißt doch, was das bedeutet?«
    Â»Ich versuche es zu schaffen. Wirklich.« Nur jetzt nicht, flehe ich stumm mit einem Blick aus dem Fenster. Nur jetzt nicht, bitte zwing mich jetzt nicht, Mathe zu pauken, wo ich diese Präsentation in Deutsch fertig machen muss, die sich auch nicht von selber schreibt, aber vor allem will ich zu Delia, ich brauche sie, brauche ihre zuversichtliche, anpackende Art, gerade jetzt. Wenn ich Delia gesehen, mit ihr geredet habe, nur heute noch, fällt mir bestimmt alles viel leichter. Dann kann ich auch wieder lernen, wenn es sein muss, die ganze Nacht.
    Â»Ich werde gegen den Mann eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Schulamt einreichen«, schließt Papa und lehnt sich gegen mein Fensterbrett, im Gegenlicht erkenne ich kaum noch seine Gesichtszüge, weil sich gerade die letzten Sonnenstrahlen dieses Nachmittags in meiner Gardine verfangen.
    Â»Du willst was ?« Ich starre ihn an. Kann meinen Blick nicht von ihm wenden, wie er da steht, sich mit der Hand durch sein Haar fährt, an der Krawatte ruckelt, dann die Arme vor der Brust verschränkt. Sogar sein feines Jackett hat er noch an, maßgeschneidert, ich sehe ihn vor mir, wie er darin Herrn Brückner gegenüber gesessen hat, mein Lehrer in Jeans und Freizeitblazer, die grauen Locken schon etwas wirr nach dem langen Unterrichtstag. Er muss sich unterlegen gefühlt haben vor meinem Vater, der ihn bestimmt niedergeredet hat, ihm Zahlen und Statistiken um die Ohren

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