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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Ich will noch nicht weg.
    Â»Ein paar Pflanzenkästen müssen noch reingeschafft werden. Viel ist es nicht.«
    Â»Ich kann dir helfen«, beeile ich mich zu sagen, und dann sind wir auch schon draußen und schleppen gemeinsam die Blumenkästen, die Delia mir zeigt, in den Verkaufsraum und ins Gewächshaus. Es klappt so gut mit ihr, wir arbeiten zusammen, als hätten wir unser Leben lang nichts anderes getan, jeder von uns reagiert auf die Handgriffe des anderen, wir machen es uns gegenseitig leichter, halten uns Türen auf, reichen uns Dinge zu, manche Kästen müssen wir gemeinsam tragen. Die ganze Zeit lachen und plaudern wir dabei, necken uns, und von Minute zu Minute spüre ich, wie meine Schüchternheit Delia gegenüber abfällt wie eine Fessel, die sich durch stetige Bewegung allmählich lockert. Immer wieder sehe ich fassungslos zu, wie selbstverständlich Delia auch schwerere Lasten stemmt, ohne zu jammern. Wie tatkräftig sie wirkt, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, als würde ihr Spaß machen, Gewichte zu heben wie ein Mann, als genieße sie es, sich selbst zum Kräftemessen herauszufordern. Sie bewegt sich, als wäre sie zum ersten Mal nach langer Zeit der Gefangenschaft wieder draußen und könnte dieses Glück kaum fassen. Immer wieder hält sie in ihrer Tätigkeit inne und füllt ihre Lungen mit der sauberen Waldluft, atmet ein, als wäre es das letzte Mal. Ich werde nicht schlau aus ihr, warum ist sie so? Sie ist so anders als alle Menschen, die ich kenne, wirkt so unbesiegbar, vor allem aber so in sich ruhend, so gefestigt, als würde sie genau das Leben führen, das sie sich immer gewünscht hat, und nichts in der Welt könne sie davon abbringen. So anders als ich. Ich tanke auf in diesen Minuten, die ich hier bin, Delias Art färbt auf mich ab. Manchmal treffen sich unsere Blicke und sie zwinkert mir zu. Es fühlt sich an, als würden Millionen winziger Stromstöße durch meinen Körper gejagt. Erst als wir fertig sind und sie alles abgeschlossen hat, greift Delia sich in den Rücken.
    Â»Danke«, japst sie. »Du warst echt eine Hilfe. Ohne dich hätte es mindestens doppelt so lange gedauert.«
    Â»Ich kann öfter kommen und dir helfen, wenn du willst«, schlage ich vor. Delia hebt die Schultern.
    Â»Ich bin abends nicht immer die Letzte, die geht«, erklärt sie. »Das war eher eine Ausnahme, normalerweise packt der Chef mit an. Und dass der im Moment einen Schülerjob zu vergeben hat, kann ich dir nicht versprechen.«
    Â»Ich will keinen Job«, beeile ich mich zu versichern. »Also, keine Kohle, meine ich. Das liegt nicht am Geld, wirklich nicht.«
    Â»Verstehe.« Delia blickt zwischen mir und meinem Auto hin und her, auf das wir langsam zugeschlendert sind. Vor Kurzem bin ich durch die Waschanlage gefahren, unter der Laterne auf dem Parkplatz glänzt sein Lack, als wäre es nicht schon über drei Jahre alt. Ein junger Gebrauchter, den ich schon vor meiner Führerscheinprüfung hatte. »Sohn reicher Eltern, wie?«
    Â»Reich ist relativ«, erwidere ich. Auf einmal hat sich meine Schüchternheit verkrümelt, ich denke nicht mehr darüber nach, was ich sage oder sagen könnte, ich rede einfach. » Du bist reich«, sage ich und bleibe stehen, ganz dicht verharren wir auf einmal voreinander, noch etwas zögerlich strecke ich meine Hand aus und fahre mit dem Daumen über ihre Wange, streiche eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht, der Gedanke an Annika streift mich wie der Flügelschlag einer Mücke, mehr nicht, ich blende sie einfach aus, blende alles aus, meine Familie, die Schule, meine Freunde. »Du kannst immer hier draußen sein, bei deinen Blumen und Pflanzen, hast mit Menschen zu tun und keinen Schulstress mehr. Du ruhst so in dir. Ich beneide dich.«
    Ganz langsam ebbt Delias Lächeln ab. Für einen Moment schließt sie die Augen und scheint meine Berührung zu genießen, doch als sie sie wieder öffnet, wirkt ihr Blick wie aus weiter Ferne oder als ob sie gerade etwas erlebt hat, das sie nachdenklich macht und noch nicht wieder zurück ist, zurück im Hier und Jetzt. Sie hält meine Hand fest.
    Â»Du hast recht«, sagt sie leise. »Damit, dass du meinst ich sei reich, meine ich. Ich denke nur zu selten daran. Jetzt muss ich leider wirklich gehen, mein Hund ist schon so lange allein zu Hause. Und

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