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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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ist.«
    Â»Raum 34«, informiert sie mich. »Aber überschlagen Sie sich nicht, ich schaffe das schon.« Dann ruft sie ins Lehrerzimmer hinein nach Herrn Brückner, nickt mir noch einmal lächelnd zu und verschwindet.
    Brückner wirkt erschöpft, als er endlich kommt. Unter seinen Augen entdecke ich dunkle Ringe und neue Falten, die ich vorhin im Unterricht noch nicht wahrgenommen habe, sein Gang wirkt schleppend. Mit der rechten Hand fährt er sich über die Stirn, vielleicht hat er Kopfschmerzen. Aber er lächelt, als er mich sieht.
    Â»Maximilian«, sagt auch er. »Gut, dass Sie kommen. Ich habe etwas für Sie, das Sie vielleicht interessieren wird.« Er reicht mir einen zusammengefalteten Zettel. »Es ist die Adresse einer Fachoberschule mit dem Schwerpunkt Gestaltung. Sie könnten dort ein Fachabitur in dem Bereich machen, der Ihnen so sehr liegt. Ich glaube, das könnte vielleicht etwas für Sie sein. Ein Link zur Webseite der Schule ist auch dabei.«
    Ich falte den Zettel auseinander und starre darauf. Die Schule trägt den Namen eines Malers, den ich so sehr bewundere, dass mir schwindlig wird bei dem Gedanken, seinem Andenken durch den Besuch einer nach ihm benannten Schule näher zu sein. Roy Lichtenstein, für mich der größte Pop-Art-Master aller Zeiten, sein berühmtes Bild »Look Mickey!« hängt als gerahmtes Poster in meinem Zimmer, und zum 16. Geburtstag schon hat mir Natalie ein Buch mit seiner Biografie geschenkt. Viele Male habe ich versucht, seinen Rasterstil mit den farbigen Punkten zu kopieren; irgendwo in meinem Skizzenbuch muss sich noch ein unvollendetes Bild finden, das die besorgten, mitfühlenden Augen meiner Mutter darstellen soll. Ich war nicht ganz zufrieden damit, doch jetzt drängt es mich, daran weiterzuarbeiten. Es ist kaum zu glauben.
    Â»Um Mathematik kommen Sie dort leider auch nicht herum«, fährt Herr Brückner fort und zwinkert mir zu. »Aber die Bewertung in diesen Fächern läuft dort nicht so streng ab wie hier. Für Sie dürfte es kein Problem sein, das zu bestehen.«
    Um mich herum dreht sich alles. Die Schule wechseln, jetzt. Neu anfangen an einem Ort, der meine Begabung ernst nimmt. Wo man daran glaubt, dass ich Zukunftsaussichten habe und nicht nur ein Träumer bin. Zeichnen und Malen, viel dazulernen, gefördert werden, Prüfungen ablegen, mich mit anderen messen. Es erscheint so wunderbar, so aufregend. Mein ganzes Leben scheint sich auf einmal umzukrempeln; ich habe Delia kennengelernt, und jetzt kommt Herr Brückner mit der Roy-Lichtenstein-Fachoberschule für Gestaltung. Ich will da hin. Ich will, unbedingt. Heute noch werde ich alle Bewerbungsformulare ausfüllen und abschicken, die verlangt werden.
    Â»Danke«, stammele ich. »Danke, Herr Brückner. Das ist … das ist ganz unglaublich. Ich wusste gar nicht, dass es in dieser Stadt so eine Schule gibt.«
    Â»Nun wissen Sie es.« Sein Gesicht sieht wieder etwas frischer aus als noch vor ein paar Minuten, die Falten sind wieder an ihren Platz gerückt, Lachfalten. »Ich drücke Ihnen von ganzem Herzen die Daumen.«
    Damit schickt er sich an zu gehen. Im selben Moment fällt mir etwas ein.
    Â»Eine Fachoberschule – das bedeutet doch sicher, dass man nach der zehnten Klasse dort anfängt, oder? Ist ein Wechsel in der Zwölften überhaupt noch möglich?«
    Herr Brückner nickt, legt mir die Hand auf die Schulter und schiebt mich fort von dem Trubel an der Tür zum ersten Fenster in dem langen Gang.
    Â»Ich kenne den Schulleiter recht gut«, sagt er. »Im Referendariat waren wir am selben Gymnasium tätig – lange her. Ich habe ihn angerufen, Hans Perlitz ist sein Name. Grüßen Sie ihn bitte ganz herzlich von mir, wenn Sie sich dort vorstellen. Er sagt, ausnahmsweise würde er Sie auch zum nächsten Schuljahr noch aufnehmen, vorausgesetzt natürlich, Sie bestehen die Aufnahmeprüfung. In dem Fall würden Sie das Jahr wiederholen, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Es ist Ihre Entscheidung, Max, ob Sie das möchten.«
    Das Jahr wiederholen. Für mich wäre das kein Problem, die bald endende zwölfte Klasse am Gymnasium hier war auch verlorene Zeit.
    Noch am selben Nachmittag klemme ich mich hinter den PC und rufe die Webseite der Roy-Lichtenstein-Schule auf, klicke mich durch die verschiedenen Bereiche und bin von Anfang an

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