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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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war ganz ähnlich wie bei dir und deinem Vater. In Marokko war ich so schlau, mir in irgendeinem Schuppen ein Tattoo stechen zu lassen.« Sie schiebt ihren Pulloverärmel hoch und zeigt mir das ziemlich verschmierte Bild einer Feder, die sich nach einer Seite öffnet wie ein sich aufrollendes Farnblatt; mehrere angedeutete Schwalben fliegen heraus. Ein tolles Motiv, aber stümperhaft gearbeitet, das sieht man gleich.
    Â»Es war verdammt knapp«, fährt Delia fort. »Aber ich habe gekämpft und wahrscheinlich sehr, sehr viel Glück gehabt. Glück, meine Zuversicht und gute Ärzte.«
    Â»Deine Zuversicht.« Ich blicke sie an, taste sie mit meinen Augen ab, zärtlich, bewundernd. Blutvergiftung. Wenn Delia daran gestorben wäre, hätte ich sie nie kennengelernt. Du weißt nicht, was morgen noch kommt. »Gibst du mir was davon ab?«
    Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Jetzt streckt sie behutsam ihre Hand aus und streichelt meine Wange, fährt durch mein zerzaustes Haar und mit dem Daumen über meine Lippen.
    Â»Bin doch schon dabei«, flüstert sie.
    Ihr Kuss schmeckt nach Himbeertee, nach Trost und Nähe. Nach Angekommensein. Endlich.
    11.
    Zu Hause wartet Nati hinter der Wohnungstür auf mich. Aus dem Wohnzimmer dringt die monotone Stimme eines Fernsehnachrichtensprechers. Sie ist die Einzige, die ich jetzt sehen will, aber eigentlich ist selbst meine Schwester mir zu viel. Um etwas Zeit zu gewinnen, hänge ich meine Jacke umständlich an den Garderobenhaken, knote mir die Schuhbänder auf, tue so, als säße einer besonders fest. Gehe ins Bad, um mir gründlich die Hände zu waschen, obwohl ich sie eigentlich nie mehr waschen möchte. Noch immer spüre ich Delias Kuss auf meinem Mund, und ich bin vollkommen durcheinander, muss erst klarkommen, in die Realität zurückfinden. Es war wie ein Traum mit ihr, wie eine Zuflucht. Jetzt bin ich wieder hier und muss das irgendwie meistern.
    Natalie steht immer noch da, als ich wieder in den Korridor trete. Mit einer stummen Kopfbewegung gebe ich ihr zu verstehen, dass sie mir in mein Zimmer folgen soll.
    Â»Wo hast du gesteckt?«, fragt sie. »Du glaubst nicht, was hier los war! Wir haben längst gegessen, und drei Mal hat Annika hier angerufen und nach dir gefragt! Hast du Papa wirklich erzählt, du wärst bei ihr?«
    Â»Er hat nicht mal zugehört. Zu ihr oder zu Paul, das ist das Einzige, was er halbwegs hingenommen hat.«
    Â»Aber du warst nicht bei Annika!«, flüstert sie. »Das weiß er jetzt. Hast du dein Handy nicht dabeigehabt?«
    Â»Scheint so«, sage ich, ich will jetzt nicht reden, nicht einmal mit ihr. Irgendwann erzähle ich ihr alles, aber jetzt muss ich erst mal in der Wirklichkeit ankommen. Und mein Magen knurrt. Ich schiebe mich an meiner Schwester vorbei und gehe in die Küche.
    Während ich mir ein paar Salamibrote mache, kommt mein Vater herein. Ich will ihn nicht sehen. Ihn hinter mir zu spüren, lähmt meinen Atem, aber ich darf mir nichts anmerken lassen. Wenn er mich jetzt wegen Annika anblafft, fällt mir schon was ein.
    Â»Hallo«, sage ich also und sehe ihm kurz ins Gesicht.
    Mein Vater antwortet nicht. Dicht neben mir steht er am Kühlschrank und blickt an mir vorbei, tut so, als suche er konzentriert nach etwas, greift nach einer Bierflasche. Zieht eine Schublade auf und wühlt nach dem Öffner, ohne meinen Gruß zu erwidern. Als seine Schulter mich beinahe streift, zucke ich zusammen. Etwas später begegne ich ihm noch einmal im Korridor auf dem Weg ins Bad, um mir die Zähne zu putzen – er schweigt noch immer. Im Wohnzimmer antwortet er nicht auf meinen Gutenachtgruß. Meine Mutter dagegen erwidert ihn besonders eifrig, als müsse sie sein Schweigen kompensieren. In meinem Bett liege ich noch lange wach, weil die Gefühle in mir wie wild gegeneinander kämpfen; auf der einen Seite dieses neue, unwirklich berauschende Gefühl, das sich in mir ausbreitet, sobald Delias Gesicht vor meinem inneren Auge auftaucht; auf der anderen die Schwere, die Vaters Schweigen in mir verursacht.
    Am nächsten Morgen verlässt mein Vater die Küche, sobald ich sie betrete.
    Â»Lass ihn«, flüstert meine Mutter mir zu. »Er hat im Moment ein bisschen Stress in der Firma. Du bist volljährig, da ist es ganz normal, wenn du mal nicht zum Abendessen zu Hause bist.«
    Â»Eben«, stimmt Nati

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