Dann mach ich eben Schluss
nächsten Zeit treffe ich mich mit Paul zum Sport, mit Annika zum Essen, längst überfällig, sie lässt mich spüren, dass sie nicht vor Begeisterung zurück in meine Arme fliegt, nur weil ich sie in die Pizzeria einlade und mit ihr zum Schlittschuhlaufen gehe. Die Stimmung zwischen uns ist höflich-distanziert, belanglos. Die ganze Zeit über nehme ich mir vor, mit ihr Schluss zu machen, weil ich immer an Delia denken muss, wenn Annika an meiner Seite ist. Ich denke an sie, wenn ich beim Bummel durch die Innenstadt Annikas Hand halte, und ihr Gesicht schiebt sich zwischen uns, wenn wir uns halbherzig küssen. Ich frage mich, ob Annika nicht spürt, dass ich nicht ganz bei ihr bin, wenn ich immer wieder mein Handy nach E-Mails checke, um zu sehen, ob schon eine Antwort von der Fachoberschule für Gestaltung eingegangen ist. Oder von Delia. Aber das ist es nicht, weshalb sie sich beschwert. Sie stellt mich nicht zur Rede, weil sie nichts weiÃ. Dafür hat sie anderes an mir auszusetzen.
»Du bist so langweilig«, wirft sie mir vor, nachdem ich ihr beim Italiener das edelste Gericht bezahlt habe und hinterher ein Dessert und Kaffee. »Glaubst du, es macht mir SpaÃ, hier mit einem Typen zu sitzen, aus dem nur noch die Luft raus ist? Mach doch mal irgendwas Cooles, lern E-Gitarre oder Schlagzeug, zieh dich anders an, engagier dich meinetwegen in der Schulpolitik, irgendwas!«
»Ich bin unmusikalisch und unpolitisch«, entgegne ich. »Dafür hängen meine Bilder überall in der Schule aus. Es sind eben nicht alle Menschen gleich.«
»Dann erzähl wenigstens irgendwas. Ich kann nicht jedes Wort aus dir herauslocken wie eine Schlangenbeschwörerin, die vor dem Korb sitzt und flötet. Mit Paul habe ich immer was zu quatschen, der schweigt mich nicht an wie eine Primadonna, wenn wir in der Cafeteria sitzen. Johanna findet auch, dass man mit ihm richtig Spaà haben kann!«
Delia und ich schweigen uns auch nicht an, denke ich. Jetzt, jetzt könnte ich sagen, dass es nicht mehr geht. Dass das mit uns keinen Sinn mehr hat, sie merke es doch selbst. Es hat sich totgelaufen. Aber als ich mir endlich die Worte zurechtgelegt habe und schon meine Lippen öffne, steht sie auf und zieht ihre Jacke an. Danach gehen wir Schlittschuhlaufen, wie es vereinbart war. Annika zückt weder an der Kasse der Eisbahn noch am Wochenende darauf im Kino ihre eigene Geldbörse. Diese Nachmittage auf meine Kosten stehen ihr zu, sie nimmt sie sich, und ich gebe sie ihr, um meine Entscheidung aufzuschieben, die ich mich nicht zu treffen wage, noch nicht, sondern vor mir herschiebe wie ein Kind, das etwas angestellt hat und dies nicht zugeben kann.
Dabei bin ich nicht so einer, bin kein Arschloch Mädchen gegenüber. Ich fühle mich nicht toll, weil ich zwei Mädchen treffe, es macht mir Schuldgefühle. Nur Delia löst diesen Sturm in mir aus, wenn ich bloà an sie denke, aber Annika kann nichts dafür, sie hat mir nichts getan. Vielleicht passen wir wirklich nicht zusammen, so wie Natalie es immer wieder feststellt, aber Annika ist kein schlechter Mensch. Es liegt an mir, dass ich sie langweile.
Zu Delia zieht es mich immer wieder. Fast jeden Abend fahre ich zu ihr in die Gärtnerei, um ihr beim Wegräumen der Blumenkästen zu helfen. Ihr habe ich auch von meiner heimlichen Bewerbung erzählt.
»Mach das«, hat Delia gesagt. »Mach das unbedingt, Max. Du wirst sehen, wie viel es dir bringt. Wie anders sich dein ganzes Leben anfühlen wird, wenn du erst dem nachgehen kannst, was dir wirklich liegt und was du machen willst. Das Leben ist zu kurz, um es mit Tätigkeiten zu vergeuden, die dir keinen Spaà machen.«
Dann haben wir weiter Kisten geschleppt und den Laden aufgeräumt, und die ganze Zeit habe ich mir dieses Leben ausgemalt, von dem sie gesprochen hat, frei und unabhängig von zu Hause, mein Leben mit Delia, tagsüber würde ich mein Zeichentalent weiter entwickeln und ihr abends in der Gärtnerei helfen, später als Künstler leben, der vielleicht nicht so viel verdient wie mein Vater, aber dafür glücklich ist, weil er lieber mehr Freizeit hat, als tagein, tagaus, dem Geld nachzujagen, um sich Dinge anschaffen zu können, um die er sich dann kümmern muss.
Irgendwann bemerkt mich der Inhaber der Gärtnerei und fragt Delia, wer der junge Mann sei, der ihretwegen immer wieder auftauche, und sie antwortet:
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