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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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kann er sich auf etwas gefasst machen. Und du, mein Sohn«, wendet er sich an mich. Aber jetzt straffe ich doch meine Brust. Ich will nicht in ein paar Minuten vom Tisch aufstehen ohne einen Funken Hoffnung. Ich will nicht immer klein beigeben, wo ich es nicht müsste. Wenn Natalie kommt, will ich ihr sagen können, ich habe es durchgestanden, ich gehe auf die Roy-Lichtenstein-Schule, ich verfolge meine künstlerische Laufbahn weiter. Ich will Delia davon erzählen, es würde ihr imponieren. Und ich will feiern, mich selber einmal feiern, statt mich immer nur in alle Richtungen zu verbiegen.
    Â»Sag mir wenigstens, was drinsteht«, unterbreche ich ihn also. »Was sie geantwortet haben. Bitte.«
    Â»Das steht überhaupt nicht zur Debatte.« Vater lehnt sich zurück. »Natürlich haben sie zugesagt, alles andere wäre vollkommen absurd, sie nehmen wahrscheinlich jeden x-beliebigen Schulverweigerer, um ihre Quote auch nur einigermaßen voll zu bekommen. Darum geht es nicht, du wirst diese Schule nicht besuchen. Trotzdem wird auch dein Verhalten Folgen haben. Deine Malsachen kommen in den Keller, bis du wieder vernünftig geworden bist. Haben wir uns verstanden?«
    Seine letzten Sätze rauschen an mir vorbei wie der Transrapid. Sie haben zugesagt. Ich bin angenommen. Angenommen an meiner Traumschule. Maximilian Rothe, zukünftiger Absolvent der Roy-Lichtenstein-Fachoberschule für Gestaltung. Ich darf hingehen, ich darf wirklich hingehen. Ich denke an all die Freaks, die viel besser zeichnen konnten als ich. Von denen ich den Eindruck hatte, sie hätten die gestellten Aufgaben verstanden, im Gegensatz zu mir. Es stimmt nicht, dass sie jeden nehmen. Fünfzig Plätze auf dreihundert Bewerber, hatte die Sekretärin gesagt. Ich bin dabei. Sie wollen mich.
    Â»Zeig her«, sage ich und höre selbst, wie meine Stimme plötzlich lebendiger klingt, nach Aufbruch, ganz deutlich sehe ich mein Ziel vor Augen. Herr Brückner, ich muss es ihm unbedingt sagen, am Montag gleich, am Montag. »Das muss ich sehen.«
    Â»Es gibt nichts zu sehen, du gehst da nicht hin!«, widersetzt mein Vater. »Und eines kannst du dir gleich hinter die Ohren schreiben: Solltest du auf die absurde Idee kommen, dich meinen Anweisungen zu widersetzen, werde ich dir in Zukunft jegliche Unterstützung verweigern. Egal in welche Schwierigkeiten du dich hineinmanövrierst, und auch finanziell. Haben wir uns verstanden?«
    Er hat mich getötet. Ich sacke in meinem Stuhl zusammen.
    Â»Gut.« Mein Vater tut so, als bemerke er nichts davon.
    Ein letztes Mal versuche ich aufzubegehren.
    Â»Gib mir trotzdem den Brief, bitte. Ich will ihn lesen, er ist an mich adressiert.«
    Â»Verabschiede dich von deinen Hirngespinsten.« Mit einer verächtlichen Handbewegung schiebt er das Kuvert quer über die Tischplatte. »Ich habe bereits dort angerufen und abgesagt. Man hat es zur Kenntnis genommen und deinen Platz jemandem auf der Warteliste gegeben. Noch einmal: Solltest du dich meinen Anweisungen widersetzen, habe ich keinen Sohn mehr.«
    Â»Matthias!«, ruft meine Mutter, Entrüstung in ihrer Stimme, nicht stark genug, um ihn zum Einlenken zu bringen.
    Â»Maximilian hat mich schon verstanden«, entgegnet mein Vater und steht auf.
    17.
    Delia und ich spazieren über den Friedhof hinter der Kirche.
    Â»Du warst noch nie hier?«, fragt sie schon zum zweiten Mal, kann kaum glauben, dass ich bisher kaum jemals auf Beerdigungen war. Heute habe ich es ihr vorgeschlagen, und sie hat sofort eingewilligt, für Delia ist nichts dabei, fast jeden Tag bringt sie Blumen und Kränze in Kirchen, Kapellen und zu frischen Gräbern. Es ist ihre Art, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, die frischen Blumen vertreiben den Gedanken an die Endlichkeit, sagt sie. Aber manchmal verstärken sie ihn auch, in solchen Momenten muss sie aufpassen, sich nicht von der Angst überrollen zu lassen. Der Angst vor dem Tod, dem sie schon ins Gesicht gesehen hat. Heute ist sie still, wirkt in sich gekehrt, seit ich sie von zu Hause abgeholt habe, vielleicht hätten wir nicht hierher kommen sollen. Ich habe ihr von dem Brief erzählt, von meinem Vater, meiner Mutter. Davon, dass ich nicht mehr weiß, was ich tun soll, weil ich zwischen allen Stühlen sitze. Zerrissen zwischen dem Drang, auszubrechen und zu tun, was ich will, und der Angst, dann alles zu verlieren. Den letzten Rest Liebe

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