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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Schwimmen gehen, ein paar Freibäder haben schon auf. Danach vielleicht zu ihr nach Hause, ich war noch nie dort, obwohl sie mich schon oft eingeladen hat, bei ihr zu übernachten. Bisher habe ich gezögert, damit niemand misstrauisch wird, Annika oder meine Eltern. Noch immer habe ich nichts von Delia erzählt – es wird Zeit, dass ich endlich den Mut dazu finde.
    Aber dann sehe ich, dass die Nachricht nicht von Delia ist. Mein Vater hat mir geschrieben, das tut er fast nie. Meine Fingerspitzen gefrieren und mein Mund trocknet aus, ehe ich auf den virtuellen Briefumschlag drücke. Für freundliche, harmlose Nachrichten nimmt sich mein Vater nie die Zeit.
    KOMM NACH DER SCHULE SOFORT NACH HAUSE, brüllt mich das Display an.
    Nein, denke ich. Nein, nicht so. Der Brief. Er muss den Brief von der anderen Schule gefunden haben. Aus irgendeinem Grund ist er früher zu Hause als sonst, und er wird nicht eher wieder verschwinden, als bis ich ihm alles gebeichtet habe. Natalie, ich muss Natalie finden. Sie muss dabei sein, muss mir beistehen, alleine packe ich das nicht. Ohne mich noch um die anderen zu kümmern, stürme ich durch den langen Flur und die Treppe hinauf zum Musikraum, sie hat in der 7. und 8. Stunde Schulorchester, aber heute muss sie es ausfallen lassen, ich packe das nicht ohne sie. Von draußen höre ich bereits die klagenden, lang gezogenen Töne eines Cellos, das gerade gestimmt wird, dazwischen Natalies Saxofon, sie spielen sich warm, noch haben sie nicht angefangen zu proben, noch kann sie gehen. Ich reiße die Tür auf und bleibe einen Schritt dahinter stehen, keuchend, verschwitzt. Natalie erkennt sofort, was los ist. Vorsichtig legt sie ihr Saxofon auf den im Raum stehenden Flügel und eilt auf mich zu.
    Â»Du bist so bleich wie eine Wasserleiche«, stellt sie fest, ihre Augen flackern, während sie mein Gesicht mustert. »Schlechte Nachrichten?«
    Â»Ich glaube eher gute«, stoße ich hervor und erzähle ihr von Papas SMS. »Aber er wird toben. Kannst du dich hier loseisen?«
    Sie spielt mit der Zunge an ihrem Lippenpiercing.
    Â»Wieso ist er überhaupt schon zu Hause?«
    Â»Keine Ahnung. Mama hat neulich etwas von Problemen im Job gesagt. Irgendwas stimmt da nicht.«
    Â»Probleme im Job, bei Papa? Der tut doch immer so, als ginge da nichts ohne ihn.«
    Â»Was weiß ich«, entgegne ich ungeduldig. »Was ist also, kommst du mit?«
    Â»Mist, gerade jetzt«, flüstert sie schließlich. »Gerade jetzt kann ich auf keinen Fall weg. Herr Schindler will uns bei Jugend musiziert anmelden, wir wollen gleich alles besprechen.«
    Â»Warst du deshalb in letzter Zeit so oft weg?«
    Â»Ã–fter als du wohl kaum«, kontert sie. »Schindler hat mir noch ein paar Tricks gezeigt, wie ich meine Fingerarbeit verbessern kann, im Einzelunterricht sozusagen. Das nützt mir auch in der Band eine Menge. Stell dir vor, Max, vorhin hat er gesagt, in mich setzt er die größten Hoffnungen, das Ding zu gewinnen! Was sagst du dazu?«
    Â»Super«, antworte ich. »Klar gewinnst du das. Aber ich brauch dich jetzt, könnt ihr nicht später weiterreden? Nur eine halbe Stunde, und nur dieses eine Mal!«
    Natalie blickt auf ihre Armbanduhr, so eine dicke, sportliche mit zerschlissenem schwarzem Lederarmband.
    Â»Eine halbe Stunde«, wiederholt sie. »Dabei bleibt es nie im Leben, wenn Papa erst mal in Fahrt kommt. Gute zehn Minuten fahren wir jeweils mit dem Auto. Die Doppelstunde hier geht also komplett drauf! Meinst du wirklich, du schaffst das nicht alleine?«
    Â»Mir ist jetzt schon schlecht«, gestehe ich. »Du weißt doch, wie er mich immer totredet, und von Mama habe ich auch keine Hilfe zu erwarten. Komm doch mit, bitte, nur dieses eine Mal noch! Wenn wir das hinter uns haben und ich auf die neue Schule gehen kann, wird sowieso alles anders. Dann kann er mir gar nichts mehr, du wirst sehen, Nati.«
    Meine Schwester schüttelt den Kopf, blickt verzweifelt. »Max, ich habe auch nur diese eine Chance. Schindler hält viel von mir, und das ist auch nicht selbstverständlich, die meisten Pauker sehen doch nur meine schwarzen Klamotten und meine Sicherheitsnadeln und schon haben sie Vorurteile. Aber er nicht, er zählt auf mich, und wenn ich jetzt abzische, kann ich das knicken!«
    Â»Ich kann ihn einweihen«, schlage ich vor. »Wenn er wirklich so prima ist, wird er dich gehen

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