Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
Malen. Alles andere auch, natürlich. Alles hat seinen Sinn, wenn es dazu dient, eines Tages als Künstler arbeiten zu können.
    Morgen schon hinfahren hieße aber, nicht Brückner davon erzählen zu können. Nicht Delia. Nicht einmal Natalie, denn dann würden es auch die Eltern merken, sie merkten es sowieso. Ohne sie alle. Delia, Delia. Sie fehlt mir so sehr, dass es in meiner Brust reißt und zerrt. Mit Annika Schluss machen. Ich kann nicht auf die Lichtenstein-Schule, ganz auf mich gestellt packe ich das nicht. Zu Delia gehen. Ein Versuch noch. Lass uns Freunde bleiben, Max. Es hat keinen Sinn.
    Zu Hause lasse ich mir nichts anmerken. Esse mit Mutter und Natalie. Meine Schwester berichtet von ihrer Probe, nicht nur der Lehrer hat sie gelobt. Jemand von der Regionalpresse war da und nannte sich »Talentscout«, eigentlich fällt sie auf so was nicht rein. Nati soll in seiner Profiband vorspielen, sie sei die Entdeckung überhaupt. Ein gepierctes Mädchen am Saxofon, keine noch so coole Band kommt auf so eine Idee.
    Â»Willst du bei Keep Out aussteigen, wenn sie dich haben wollen?«, frage ich sie.
    Â»Ich will mich weiterentwickeln«, antwortet sie, so anders als ich, sofort gibt sie Mama mit einem einzigen Blick zu verstehen: Fang jetzt nicht mit dem Neffen von Papas Chef an, der mich damals zu Keep Out geholt hat. Der ist eh so gut wie draußen, unzuverlässig wie er sich gibt. Wieder diese Mischung aus Skepsis und Bewunderung in Mamas Blick. Gleich nach dem Dessert stehe ich auf.
    19.
    Â»Der Mann gefällt mir«, urteilt mein Vater wenige Tage später, der natürlich gleich einen Termin mit Bollschweiler vereinbart hat, nachdem ich von ihm erzählt habe. »Endlich einmal das, was man sich unter einem Dozenten junger Erwachsener vorstellt. Jetzt weht ein anderer Wind im Leistungskurs! Natürlich habe ich ihm versichert, dass wir gemeinsam alles daran setzen werden, dass du deine Rückstände in Mathematik aufholst, wieder zu deinen gewohnten Leistungen zurück findest.«
    Â»Das hättest du dir sparen können. Der interessiert sich null für uns.«
    Â»Da hatte ich einen anderen Eindruck. Wie läuft es im Nachhilfeinstitut?«
    Â»Passt schon«, antworte ich und lege ihm ungefragt die Aufgaben vor, die ich dort bearbeitet habe.
    Â»Na bitte«, sagt er, »wird doch. Weiter so, Junge, wir Rothes lassen uns doch nicht unterkriegen, wie? Du packst das schon.« Er klopft mir auf die Schulter, dann entlässt er mich und ich trotte in mein Zimmer zurück.
    Kann man ganz allein auf der Welt sein? Ich habe das Gefühl, wie ein Geist durch alle hindurch zu laufen. Zu Hause, wo ich in Ruhe gelassen werde, sobald ich den Eindruck erwecke, ich würde lernen. In der Schule, wo Bollschweiler den ganzen Jahrgang in Panik versetzt hat, düstere Aussichten an die Wand malt, wie rasant es mit uns abwärts gehen werde, sollten wir nicht mit einer Eins vor dem Komma das Abi bestehen. Jeden Tag muss ich sein Gesicht sehen anstelle der gütigen, warmherzigen Augen Herrn Brückners, der immer ein aufmunterndes Lächeln oder ein Wort des Lobes für uns übrig hatte. Ich vermisse ihn so. Bollschweiler dagegen scheint sich jedes Mal fast zu freuen, wenn einer von uns einen Fehler macht. Er versteht es wie kein anderer, mit feinsten Nadelspitzen in die Wunden jedes Einzelnen zu stechen und auch, uns bei Versagen vor dem ganzen Kurs bloßzustellen. Nicht nur ich bin ein willkommenes Opfer für ihn, besonders gern verletzt er die Mädchen. Philine zum Beispiel, die neben Marie-Luise sitzt, ein sehr ruhiges, immer etwas ängstlich wirkendes Mädchen. Den ganzen Vormittag lang sitzt sie heute mit rot geweinten Augen im Unterricht, sie tut mir so leid. Niemand wusste, was mit ihr los war, sie verrät es nicht, aber dass sie zu verzweifelt ist, um erfolgreich mitzuarbeiten, kann niemand übersehen, nicht einmal Bollschweiler. Er jedoch holt sie nach vorn und lässt sie vorrechnen – natürlich bekommt sie nichts hin.
    Â»Entschuldigung«, flüstert sie nach dem dritten vergeblichen Versuch, die Gleichung zu lösen. »Ich kann mich heute nicht konzentrieren. Darf ich mich bitte wieder setzen?«
    Bollschweiler mustert sie von oben bis unten. Lange. Lässt seine Augen über ihr verweintes Gesicht wandern, über ihre Brüste, die Beine, zurück zum Gesicht.
    Â»Sind Sie vielleicht schwanger?«,

Weitere Kostenlose Bücher