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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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meinst du, Max? Endlich mal frische Farbe in dem verstaubten Laden hier!«
    Â»Ich finde, er kann nicht erklären«, erwidere ich.
    Â»Was heißt erklären?« Paul schüttelt den Kopf. »Im Grunde war es doch nur eine Wiederholung, was er heute durchgezogen hat. Das hatten wir alles längst – na gut, vielleicht hat er ein bisschen drauf aufgebaut, aber das war nichts wirklich Neues, wenn man einigermaßen logisch mitdenken kann. Außerdem sind wir keine Grundschüler mehr – wo er recht hat, hat er recht. Wir sind alt genug, um uns den Stoff selber anzueignen! Der Mann nimmt uns endlich mal ernst. Kopf hoch, Max, wir packen das. Schlag ein!« Er hebt seine Hand.
    Lahm klatsche ich meine dagegen. »Tut er nicht. Als Menschen sind wir ihm so was von egal, das hat er mit jedem Satz heraushängen lassen.«
    Einige von den anderen, die sich mit uns durch die Tür geschoben haben, nicken und murmeln eine Zustimmung, aber niemand äußert sich offen, nur Marie-Luise pflichtet Paul bei.
    Â»Meine Güte, Max, werd endlich erwachsen«, stöhnt sie. »Später in der Uni läuft das genauso ab, was hast du denn gedacht? Da werden Vorträge gehalten, und du sitzt mit deinem Laptop oder Schreibblock im Hörsaal, und was du in der Vorlesung nicht raffst, musst du zu Hause nacharbeiten! Einer wie Bollschweiler bereitet uns genau darauf schon vor, davon haben wir viel mehr als von einem lieben Opi wie Brückner, der doch auch nur so tut, als wären wir ihm wichtig. Wenn der Feierabend hat, weiß er auch nicht mehr, wie du heißt, das kannst du aber glauben.«
    Â»Vielleicht will ich nicht studieren«, entgegne ich. Marie-Luise sieht mich an, als hätte ich verkündet, ich würde noch einmal als Abc-Schütze beginnen wollen.
    Â»Ich dachte, du wirst das, was auch dein Vater macht«, meint sie. »Salesmanager ist doch ein top Beruf. Studierst du BWL, das ist doch interessant und soll gar nicht so schwer sein.«
    Annika kommt und schlingt ihre Arme um mich, ich lasse sie gewähren, verscheuche den Gedanken an Delia, der nur schmerzt. Jede körperliche Nähe erscheint mir wie ein Trost, wie eine Zuflucht. Aber sie drückt mich nur kurz und lässt mich gleich wieder los.
    Â»Hattet ihr auch bei Bollschweiler?«, platzt sie heraus. »Der ist eine harte Nuss, oder? Ab jetzt werde ich nur noch lernen, sonst bekomme ich da kein Bein auf den Boden. Bei uns im Grundkurs war es in seiner Stunde so still, da hättet ihr hören können, wenn eine Schuppe vom Kopf auf den Tisch fällt! Auf keinen Fall will ich bei dem durchrasseln, das überlebe ich nicht.«
    Das überlebe ich nicht, hämmert es weiter in meinem Kopf, während sich eine Traube von Schülern um Annika, Paul und Marie-Luise bildet, um über Bollschweiler zu diskutieren. Das überlebe ich nicht. Ab heute jeden Tag Bollschweiler, von Montag bis Freitag und dann durch die Prüfungen. Ohne Delia als Lichtblick, ohne irgendjemanden. Mit einem Vater, der mir jede Unterstützung verweigert, sofern eines meiner Ziele von seinem abweicht, und einer Mutter, die zwischen ihm und mir hin und her schwimmt wie ein Fisch in einem viel zu kleinen Aquarium, hierhin, dorthin, aber an keiner Seite gibt es einen Ausweg. Niemand bemerkt mich, als ich mich von der Gruppe entferne und den grauen Flur entlang zum Ausgang gehe, schlurfe, nach Hause oder nicht nach Hause, es ist so egal.
    Ich könnte zur Roy-Lichtenstein-Schule fahren. Erklären, dass die Absage ein Irrtum war. Dass mein Vater andere Vorstellungen von meiner Zukunft hat als ich selbst. Dass er überreagiert hat. Ich brauche seine Unterschrift nicht. Vielleicht ist mein Platz noch nicht vergeben, vielleicht habe ich Vorrang vor jedem Nachrücker auf der Warteliste, trotz allem. Ich habe die Aufnahmeprüfung bestanden, ich. Niemand hat mir dabei geholfen, das habe ich endlich einmal allein geschafft.
    Dann könnte ich vielleicht ab morgen schon ganz hingehen. Nie wieder diese Schule hier betreten, nie mehr. Bollschweiler nicht sehen, nicht Paul, Marie-Luise, nicht Annika – würden sie mein Fehlen überhaupt bemerken? Jetzt bemerken sie es nicht, niemand eilt mir nach oder ruft nach mir. Morgen schon in diesem hellen, weiten Kunstsaal sitzen. Über einer Aufgabe brüten, aber ganz anders, es würde meine Aufgabe sein. Für mich selber lernen, es klingt so platt. Aber Zeichnen und

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