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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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fragt er.
    Alle müssten aufstehen gegen ihn, ihre Empörung herausschreien, protestieren. Keiner sagt etwas. Philine wird so blass, dass ich minutenlang befürchte, sie kippt gleich um, doch dann scheint sie sich plötzlich zu fangen. Mit versteinertem Gesicht setzt sie sich auf ihren Platz und richtet ihren Blick starr nach vorn, wo sich längst jemand anderes abmüht, ebenfalls verkrampft, doch am Ende erfolgreich. Als Philine sich über ihren Block beugt, um die Aufgabe zu übertragen, sehe ich eine Träne auf die Tinte tropfen.
    Etwas später ruft Bollschweiler mich auf, ohne dass ich mich gemeldet hätte. Auch ich stammele vor dem Smartboard herum, als wäre ich in Mathe auf dem Stand der dritten Grundschulklasse. Bollschweiler wartet, wartet lange. Versucht nicht, mich mit gezielten Fragen zu unterstützen, der Lösung seiner Aufgabe schrittweise näher zu kommen, bis ich die Lösung gefunden habe. Im Rücken spüre ich die Blicke der anderen Kursteilnehmer. In jedem Flüstern höre ich Spott, die Stille dazwischen lässt mich vermuten, dass hinter meinem Rücken Grimassen geschnitten, Augen verdreht und Zettelchen geschrieben werden, mit denen sie sich über meine Unfähigkeit lustig machen. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Bollschweiler dem Kurs Blicke zuwirft, sie bedeuten: Sehen Sie, so geht es, wenn man nicht begreift, dass das Abitur kein Spaß mehr ist. So kann ich mich nicht konzentrieren.
    Â»Ich komm nicht weiter«, murmele ich schließlich und händige ihm den Touchpen aus. »Nehmen Sie lieber jemand anderes dran.«
    Â»Sie geben also auf?«, vergewissert er sich, die Augenbrauen hochgezogen, erneut ein spöttisches Grinsen in die Runde schickend, es entgeht mir nicht, dass es von einigen erwidert wird.
    Â»Ich habe keine andere Wahl«, antworte ich. »Ich versteh die Aufgabe nicht.«
    Â»Maximilian, Sie können alles im Leben erreichen, nur keinen Erfolg.« Bollschweilers Stimme klingt eisig. »Sie sind vollkommen unbegabt im logischen Denken, die Fleisch gewordene Pisa-Studie. Paul, machen Sie weiter.« Mit einer scheuchenden Handbewegung schickt er mich auf meinen Platz zurück.
    Ich setze mich auf meinen Platz. Es ist, als ob Wände aus Beton sich wie eine Eierschale um mich schließen, ich schäme mich so, ich wünschte, ich wäre nicht hier. Wie von einer Welt, die mich nichts mehr angeht, dringen die Stimmen von Bollschweiler und Paul, der jetzt weiterrechnet, sicher und mit geübter Methode auf den Bildschirm bringt, was ich nicht zustande bekommen habe. Ich blicke auf die Tischplatte vor mir und rühre mich nicht, eshämmert in meinem Schädel. Sie können alles im Leben erreichen, nur keinen Erfolg. Das sitzt. Und alle haben es gehört.
    Ich blicke nicht auf, versuche nur weiter gegen die aufsteigenden Tränen anzukämpfen, beuge mich hinunter und binde einen meiner Schuhe zu, der nicht einmal offen gewesen ist, nur damit niemand bemerkt, was mit mir los ist; Max hat Pipi in den Augen.
    Die Stunde geht weiter, als wäre nichts geschehen. Anfangs habe ich noch gehofft, jemand von den anderen würde sich entrüsten, etwas gegen Bollschweilers Sprüche sagen, der gegen Philine war mindestens ebenso unangemessen wie der gegen mich. Irgendjemand müsste etwas sagen, jemand, der keine Angst vor ihm hat, jemand wie Paul, dessen Noten nicht in Gefahr sind. Aber Paul steht nur vorne, rechnet, erklärt, schreibt an. Holt sich sein Lob ab. Niemand ergreift Partei für mich, auch er nicht, dabei hätte er eine Chance, ihm hört Bollschweiler zu, wenn er etwas sagt. Ab und an dringt verhalten beifälliges Lachen an meine Ohren wie von der Lachmaschine einer Sitcom im Fernsehen, sobald Bollschweiler einen weiteren Witz versucht. Ich höre nicht hin, verfolge auch den Unterricht nicht mehr, es hat keinen Sinn.
    Nach der Stunde verziehe ich mich in eine stille Ecke, die nächste Stunde schwänze ich. Ich zücke mein Handy und lasse das Telefonbuch durchlaufen, B wie Brückner. Er hat gesagt, ich könne mich jederzeit bei ihm melden, wenn was ist. Jetzt ist was. Mein Finger kreist über der Anrufen-Taste, aber ich schaffe es nicht, vielleicht würde ich ihn stören, ihn unnötig aufregen. Als er das gesagt hat, war er noch gesund.
    Meine Mutter sitzt an ihrem Manuskript, als ich die Tür aufschließe.
    Â»So früh?«, fragt sie. »Nachdem Herr

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