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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Ein akuter Herzinfarkt und die Notoperation führten dazu, dass er fortan alles außen vor lassen musste, was mit der Schule zu tun hatte. An seine Entlassung wird sich eine mehrwöchige Reha anschließen, während der er keinerlei Kontakt zur Schule pflegen sollte. Jetzt ist alles anders. Maximilians Tod ist wie Steinschlag auf ihn herabgestürzt.
    Beim Blick in die Schublade stutzt er, jedoch nur einen Atemzug lang. Natürlich, dies ist nicht mehr seine Schublade, nicht sein Tisch. Bollschweiler hat ihn übernommen und seine eigene Ordnung darin untergebracht, eine andere als seine, es gibt keine losen Blätter mehr, keine herumliegenden Stifte, alles ist abgeheftet, in Ordner und Schachteln gelegt, Brückner zieht noch an anderen Schubladen, doch die sind verschlossen, ebenso der große hellgraue Schrank an der Wand neben dem Whiteboard. Also kann er, wenn überhaupt, nur hier etwas finden, das an Maximilian erinnert. Vielleicht einen Hinweis darauf, wie es war zwischen Bollschweiler und ihm. Worunter Max so gelitten hat, dass er jeglichen Lebensmut verlor. Es sieht Werner Brückner nicht ähnlich, fremde Sachen zu durchwühlen, aber jetzt kümmert es ihn nicht, er beruhigt sich mit dem Gedanken, dass auch er hier Dinge liegen hatte, von denen er gern wüsste, wo sie jetzt sind. Er hat nicht freiwillig von einem auf den anderen Tag aufgehört zu arbeiten.
    Das Kursbuch. Brückner findet es unter einem nagelneuen Karoblock und zieht es behutsam heraus, schlägt es weit hinten auf, sucht seine letzten eigenen Eintragungen, danach die des neuen Lehrers. Was für eine steile Handschrift, denkt er; ganz anders als meine, man kann jeden Buchstaben lesen, aber es ist auch nichts Spontanes darin, so wird er immer schreiben, egal ob er Zeit hat oder in Eile ist, ob es ihm gut geht oder miserabel, in einem persönlichen Brief oder auf einer Ansichtskarte im Urlaub ebenso wie in einem Amtsformular. Brückner sucht die Spalte »Bemerkungen« durch und findet an einem Datum wenige Tage nach seiner eigenen Erkrankung die Notiz: »Elterngespräch mit Herrn Rothe«. Also hat auch Bollschweiler mit Maximilians Vater gesprochen. Max sei verträumt und desinteressiert gewesen, hat Bollschweiler vorhin beklagt, Ähnliches hat er sicher auch dem Vater vorgehalten. Aber wie wird der reagiert haben? Hat Rothe auch diesen Lehrer heruntergeputzt und ihm Konsequenzen angedroht? Von »Hochbegabung« hat Bollschweiler sicher nicht gesprochen …
    Er schlägt das Kursbuch zu und lehnt sich zurück. Nur einen Moment ausruhen. Es hat keinen Sinn, weiterzusuchen, es bringt Maximilian nicht zurück. Sich kurz sammeln und dann nach Hause gehen.
    2.
    Die Dienstbesprechung ist vorbei, schneller als erwartet. Weil sich niemand konzentrieren konnte, hat Gaedicke kurzerhand beschlossen, die Sitzung am kommenden Donnerstag in der achten Schulstunde fortzusetzen. Einige bleiben in kleinen Gruppen am Tisch sitzen und reden miteinander, ehe sie ohne Hast beginnen, sich seelisch auf diesen schweren Schultag vorzubereiten, Sven Bollschweiler hört, dass mit gedämpften Stimmen noch immer über Maximilians Tod gesprochen wird. Er fühlt sich unbehaglich, seit Brückner, den er bisher noch nicht einmal kannte, ihn so offen auf die Schwierigkeiten mit dem verunglückten Schüler angesprochen hat. Dazu die Facebook-Seite, auf der offenbar einiges über ihn verbreitet wurde. Ihm ist nicht nach lockerem Plaudern mit Kollegen und erst recht nicht danach, zur Rechenschaft gezogen zu werden, also packt er seine Unterlagen zusammen und schiebt sie in die Aktentasche, ehe er zielstrebig die Tür ansteuert, um sich in seinen Kursraum zurückzuziehen.
    Bollschweiler stutzt, als er den Raum aufschließen will und feststellt, dass das Schloss nicht gesperrt ist. Zögernd drückt er die Klinke und tritt ein, augenblicklich fällt sein Blick auf Brückner, der am Lehrertisch sitzt und aufschreckt, als er ihn bemerkt. Er ist ebenso unangenehm überrascht wie ich, denkt er. Gut, sehr gut. Ich muss mir von ihm nichts vorwerfen lassen, nur weil ich einen faulen Schüler habe auflaufen lassen.
    Â»Herr Brückner«, äußert Bollschweiler, die Augen geweitet. »Noch nicht zu Hause? Sie sollten sich doch schonen.«
    Brückner rollt mit dem Drehstuhl nach hinten und steht auf, was ihm sichtlich schwer fällt. Seine Augen blicken trübe, als wäre er tief in

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