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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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bewahren.«
    Â»Meine Einstellung dazu ist eine andere«, widerspricht Bollschweiler. »Es geht hier nicht um einen kleinen Test, der den simplen Zweck hat, etwas über den derzeitigen Leistungsstand auszusagen. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass Abitur Reifeprüfung bedeutet. Es gilt also auch zu beweisen, dass man mit Stresssituationen umgehen kann und nicht gleich kneift, wenn Schwierigkeiten auftreten. Das hier«, er schlägt mit dem Handrücken so heftig auf das Bild, »ist kein Zeugnis von Reife. Es ist kindisches Gekritzel aus einer pubertären Protesthaltung heraus. So etwas haben wir in der Fünften gemalt, heimlich auf Schmierblättern unter dem Tisch. Nicht anstelle einer Abiklausur im Leistungsfach. Der Junge war volljährig, das muss man sich doch vor Augen führen.« Er legt die Zeichnung zurück in den Aktendeckel, klappt ihn wieder zu und schleudert ihn auf den Tisch, an dem Maximilian immer gesessen hat, als wolle er ihm die Arbeit zurückgeben.
    Â»Ich fürchte, in diesem Punkt werden wir zu keinem gemeinsamen Nenner gelangen«, stellt Brückner fest. »Was mir jedoch zu denken gibt, ist das, was ich meine in Maximilians Zeichnung von Ihnen zu erkennen. Sein Gefühl Ihnen gegenüber scheint kein Positives gewesen zu sein. Mit diesem Porträt hat er es Ihnen mitgeteilt.«
    Â»Ich habe nie behauptet, dass die Schüler mich mögen müssen.« Bollschweiler strafft seine Brust. »Auch das gehört eher in den Bereich der frühen Grundschuljahre. Mit sechs, sieben Jahren lernen die Kinder noch für den Lehrer. Er wäre lächerlich zu hoffen, auch junge Erwachsene würden dies noch tun. Wer dies anstrebt, nimmt den Oberstufenschüler nicht ernst.«
    Brückner geht zum Fenster und öffnet es. Bollschweiler beobachtet, wie er das Gesicht in die Sonne hält, die Luft mit tiefen Zügen einatmet, als müsse er sich zwingen, Haltung zu bewahren. Ein schwacher Mensch, denkt er. Kein Wunder, dass die Schüler so wenig können.
    Â»Es geht nicht um Zuneigung«, bemerkt Brückner schließlich und dreht sich wieder zu ihm um. »Es geht darum, dass Leistung ohne ein Minimum an gutem Boden nicht möglich ist. Der vermittelte Lernstoff ist das eine, aber ich bin der festen Überzeugung, dass auch eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Lehrer und Lernendem unverzichtbar dazugehört. An dieser Stelle sind wir es, die wir uns über Sympathie und Antipathie hinwegsetzen und jeden Schüler ermutigen müssen, sein Bestes zu geben. Auch wenn er sich nicht immer so verhält, wie es uns angenehm ist.«
    Â»Wie ich vorhin schon sagte: Von Kuschelpädagogik halte ich nichts. Warum muss ich einen Gymnasiasten der zwölften Klasse erst ermutigen, sein Bestes zu geben? Er hat sich für diese Laufbahn entschieden und will zur Elite unserer Gesellschaft gehören. Ich mache mich als Lehrer lächerlich, wenn ich ihn erst lange bitten muss, sich Mühe zu geben.«
    Â»Trotzdem ist es kein Verbrechen, auch einmal ein freundliches Wort an die Schüler zu richten und zu versuchen, den Unterricht interessant zu gestalten.«
    Â»Natürlich spreche ich meine Anerkennung aus, sobald ich mit der Leistung eines Schülers oder einer Schülerin zufrieden bin.«
    Er beobachtet, wie Brückner rot anläuft, sich mit einem Stofftaschentuch übers Gesicht wischt.
    Â»Was hat Sie so hart gemacht, können Sie mir das verraten?«, fragt Brückner. »Sie sind noch jung, Ihr zweites Staatsexamen wird kaum mehr als fünf, sechs Jahre zurückliegen. Vom Alter her sind Sie den Schülern wesentlich näher als ich. Was veranlasst Sie, eine solche Eismauer um sich zu errichten? Sie merken doch selbst, dass Sie damit nicht weiterkommen, Maximilians Zeichnung verrät es doch. Und sicher auch andere Erlebnisse mit den Schülern.«
    Â»Das hat nichts mit Kälte zu tun, sondern mit Konsequenz«, verteidigt sich Bollschweiler. »Sie haben recht, ich bin noch recht jung, siebenunddreißig Jahre, um genau zu sein. Und sowohl in meiner eigenen Schulzeit als auch in meiner Seminargruppe während des Referendariats habe ich immer wieder Lehrkräfte erlebt, die auf die kumpelhafte, freundschaftliche Art versucht haben, bei den Schülern anzukommen, und immer, immer ging es nach hinten los. Denen wurde auf der Nase herumgetanzt, die Klassen gingen über Tische und Bänke, egal ob in

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