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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Gesicht sieht ernster aus, reifer, das Unbeschwerte, Fröhliche ist daraus verschwunden. Eine Zeit lang schweigen sie, Paul bemerkt, dass Annika flach atmet, um zwischendurch immer wieder ihre Lungen tiefer mit Luft zu füllen, es scheint ihr noch wehzutun. Kein Wunder mit mehreren gebrochenen Rippen.
    Â»Kein Vergleich dazu, wie es war«, beteuert sie. »Anfangs hatte ich vor jedem Atemzug Angst.«
    Paul nickt. Er fühlt Annikas Augen auf sich ruhen, traurig, besorgt, zurückhaltend. Zurückhaltend aus Schuldgefühlen, sie kann sich ihm nicht wieder so nähern wie vor Max’ Tod, ein wenig hatte er gehofft, es würde sich ändern, wenn sie sich sehen. Aber jetzt ist sie hier und sitzt auf der äußeren Kante der Bank, wie zur Flucht bereit, will nicht bleiben, hatte nicht vor, länger als ein paar Minuten mit ihm zu verbringen. Irgendwann fragt sie ihn, was die Eltern ihm geschenkt hätten und er erzählt es ihr. Annika nickt.
    Â»Ich hab auch was für dich, nur eine Kleinigkeit«, sagt sie und beginnt in ihrer Beuteltasche zu wühlen, zieht ein kleines, mit Geschenkband verschnürtes Päckchen heraus. »Ich hab lange überlegt, was ich dir mitbringen kann, aber alles, was mir einfiel, hätte nur die Wunden noch weiter aufgerissen. Deshalb … ich hoffe, du kannst was damit anfangen.«
    Paul bedankt sich, streicht leicht mit der Hand über Annikas Arm. Er fühlt sich ihr nah, mehr als je zuvor, tiefer. Wenn er sich ihr noch einmal nähern wollte, müsste er es ganz anders anfangen. Eigentlich hat er keine Chance. Paul und Annika ein Paar, die schrecken vor nichts zurück, selbst nachdem Max draufgegangen ist, würden alle sagen.
    Er lächelt noch einmal, dann packt er ihr Geschenk aus.
    Â»Zwei Hanteln«, ruft er leise aus. »Das ist cool, damit kann ich sogar im Bett trainieren. Danke.«
    Annika nickt, lässt ein Lächeln über ihr Gesicht huschen.
    Â»Es sind erst mal kleine«, erklärt sie. »Du musst dich ja steigern können.«
    Wieder schweigen sie, es ist anders als im Chat, noch schwieriger. Wir sitzen hier, beide verwundet, längst noch nicht wiederhergestellt, traumatisiert, allein gelassen. Er verspürt den Wunsch, seinen Arm um ihre Schulter zu legen, lässt es aber.
    Â»Warst du bei Johanna?«, fragt er schließlich. Annika schüttelt den Kopf.
    Â»Ich hab sie angerufen«, berichtet sie. »Johanna war froh darüber. Morgen kommt sie zu mir, ich kann noch nicht lange weg. Wir sind beide froh, dass wir mal reden können. Johanna sagt, sie hätte mich auch vermisst.«
    Â»Warum hat sie sich dann nicht gemeldet?«
    Â»Manchmal kann man einfach nicht«, meint Annika. »Alle in der Schule haben wie verrückt um Max getrauert, sagt sie. Er ist in den Tod gerast. Sie denken alle, dass es Selbstmord war. Und sie denken alle,da wäre schon länger was zwischen uns gelaufen.«
    Â»Ist es aber nicht«, flüstert Paul, sieht sie von der Seite an, die Augen geweitet. »Ist es doch gar nicht, Anni. Irgendwann werden sie es verstehen.« Und selbst wenn, wäre das längst nicht alles, denkt er. Ich kann es dir nicht sagen.
    Annika richtet sich mit einem Ruck auf, zieht die Luft scharf ein, Paul sieht, dass sie für diesen Moment vergessen hat, wie schmerzhaft dies immer noch ist, sie zuckt zusammen.
    Â»Max ist in den Tod gerast, Paul«, wiederholt sie, »ganz bewusst. Er hat nicht gebremst vor dieser Rechtskurve, die Ermittlungen haben das eindeutig ergeben. Dass er als Einziger dabei gestorben ist, war vielleicht nur Zufall.«
    Â»Soll ich froh darüber sein?« Paul wendet den Blick von ihr ab, schaut zu Boden.
    Â»Darum geht es nicht«, erwidert sie und steht auf. »Er wollte uns vielleicht alle umbringen, also auch dich und mich!«
    Paul spürt, wie das Blut aus seinem Gesicht weicht, er schwitzt noch stärker, es war keine gute Idee, in den Klinikpark zu gehen, er schafft das noch nicht. Es ist alles zu viel, die Schmerzen, die Erschöpfung, sein Geburtstag, Annika und das, was sie hier von sich gibt.
    Â»Uns beide?«, wiederholt er. »Wie kommst du darauf, sein Wagen ist doch nur auf der Fahrerseite vorn …«
    Â»Ja, weil er nur siebzig Stundenkilometer gefahren ist«, gibt Annika zurück. »Das lag aber daran, dass wir gerade erst gestartet waren und Max noch nicht voll beschleunigt hatte. Dreißig mehr, und wir

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