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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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nun eine Stille und Einsamkeit, die ihn überrascht, obwohl er mit ihr hatte rechnen müssen.
    Annika schiebt ihn an der Kapelle und an Gräbern vorbei, hält zweimal kurz an, als wisse sie die Richtung nicht mehr, doch schließlich biegt sie mit entschlossenem Schritt nach links in einen kleinen Weg ein. Paul reibt seine Hände an den Hosenbeinen, seine Kehle fühlt sich trocken an, er hätte eine Wasserflasche mitnehmen sollen, trotz des Nieselregens ist es zu warm und die schwüle Luft ist fast greifbar.
    Â»Hier ist es«, verkündet Annika, und schon treffen Pauls Augen genau auf die Inschrift des Holzkreuzes. Maximilian Rothe. Einige Atemzüge lang verharrt er regungslos.
    Maximilian Rothe. Es kann nicht sein, es ist so endgültig. Der Name gehört hier nicht hin, Max schreibt ihn auf Arbeitsblätter, Klausuren, Hefte, vielleicht auf Quittungen. Sein Name gehört nicht auf einen Grabstein, das kann nicht dieser Max sein, nicht seiner, nicht Pauls bester Kumpel, den er seit der Grundschulzeit kennt. Annika und er müssen jetzt zu Max gehen, bei ihm klingeln, ihn überraschen und dann gemeinsam etwas unternehmen, neulich auf dem Rummelplatz war es doch super, oder ins Kino, bei diesem Wetter am besten ins Kino, zu dritt würden sie über die Werbespots lachen und Eiskonfekt bestellen, ehe der Hauptfilm beginnt, Johanna könnte auch dabei sein. Nicht hier vor dem Kreuz auf seinem Grab, das ist absurd.
    Oder ganz anders: Paul könnte Max allein besuchen, ohne die Mädchen. Sich in Ruhe seine Bilder zeigen lassen, gemeinsam könnten sie daran arbeiten, eine Künstlermappe für Max zu erstellen, mit der er seine Zeichnungen und Gemälde präsentieren kann. Adressen von Galerien oder Verlagen heraussuchen, die vielleicht Interesse daran hätten. Nach Hauswänden und Mauern in der Stadt suchen, die sich für ein größeres Werk eignen. Irgendwann mal wieder rudern gehen. Coole Songs am Klavier ausprobieren, Max spielte ja gut, wenn auch nur selten mit Leidenschaft, aber das Internet ist voll von tollen Lehrvideos und Spielanleitungen. Man findet jeden Lieblingssong, jeden.
    Es ist zu spät dafür. Max’ Name wird demnächst in Stein gemeißelt, für alle Zeiten. Es wird keinen gemeinsamen Kinobesuch geben, keine Zukunftspläne, keine neuen Bilder. Maximilian Rothe in Gold auf Anthrazit, wie sein Vater es gewiss bestimmen wird. Für immer und nie mehr wie früher.
    Â»Ich wäre gern einen Moment allein«, sagt Paul leise. Ohne dass er Annika ansehen muss, weiß er, dass sie nickt. Er wartet, bis er ihre Schritte, die sich eilig entfernen, nicht mehr hört, dann rollt er dichter zum Grab seines Freundes, die Augen weiterhin nur auf das Holzkreuz und seine Inschrift gerichtet, absichtlich vermeidet es Paul, das Blumenmeer davor zu beachten.
    Â»Max«, flüstert er. »Es tut mir so leid, Max. Da, wo ich kein guter Freund für dich war, tut es mir leid. Du warst immer da, ich habe dich viel zu sehr vorausgesetzt, so wie wir alle. Aber trotzdem … wir konnten doch immer reden, Max. Warum hast du nicht gesagt, wie es wirklich in dir aussieht? Woher sollte ich das wissen? Du hattest Stress in der Schule, vor allem seit Brückner krank ist, und warst nicht mehr glücklich mit Annika. Deswegen bringt man sich aber nicht um, Max, und reißt beinahe noch die dir am nächsten stehenden Personen mit in den Tod. Da muss noch mehr gewesen sein, noch mehr Gründe, weshalb du Rot gesehen hast.
    Und ich bin wütend auf dich, weißt du das, Max? Deinetwegen bin ich fast zum Krüppel geworden, deinetwegen weiß ich nicht mehr, wie es in meinem Leben weitergehen soll. Ist dir klar, was du uns angetan hast? Deiner Freundin, deiner Schwester und mir? Wenn ich könnte, würde ich aus diesem verdammten Rollstuhl springen und gegen dein dämliches Grabkreuz treten, bis es umfällt, warum steht es überhaupt da, denkst du, wir wollen alle jeden Tag daran erinnert werden, dass du nicht zurückkommst? Du bist überhaupt kein Freund, weißt du das? Ein echter Freund macht so was nicht, mit dem Auto gegen den Baum brettern, egal, ob die anderen mit draufgehen. Wir hätten uns prügeln können, Max, das wär doch mal was gewesen. Um Annika prügeln wie in einem alten Film, auch wenn sie uns danach beide für total bekloppt gehalten hätte. Stattdessen machst du dich aus dem Staub, feige wie immer,

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