Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
zu ihr.
    Paul: Das kannst du auch morgen noch machen. Ich hab heute Geburtstag und habe nur diesen einen Wunsch.
    Annika: Vielleicht komme ich abends kurz vorbei.
    Paul: Was willst du machen, wenn Johanna nichts mehr mit dir zu tun haben will?
    Annika: Ich muss sowieso einiges klären. Vor allem erst mal nachfragen, warum sie so lange schweigt. Ich will die Wahrheit hören, auch wenn sie bedeutet, dass wir keine Freundinnen mehr sind.
    Paul: Du willst die Wahrheit hören?
    Die Wahrheit hören, denkt Paul. Die Wahrheit ist, dass ich dich liebe, Annika. Liebe und brauche. Ich will dich bei mir haben, mit dir zusammen sein. Du ziehst dich von mir zurück, umso mehr, je eifriger ich versuche, dich zu halten. Willst du das hören, willst du diese Wahrheit wissen? Und noch eine, die du mit Sicherheit kaum ertragen würdest?
    Bei null anfangen. Ganz von vorn. Wo alles zerstört ist, gibt es nichts, wo man anknüpfen kann.
    Annika: Durch Max’ Tod ist mir so vieles klar geworden. Geht’s dir nicht auch so?
    Paul: Sicher. Aber ich liege noch hier, verstehst du. Irgendwie ist das alles noch so unwirklich, ich denke immer noch, Max besucht mich gleich. Und jetzt auch noch das Bild. Ich weiß nicht, ob ich es packen würde, wenn meine Freunde mir ins Gesicht sagen würden, was für ein Schwein ich bin.
    Annika: Es holt dich sowieso ein, egal wann.
    Paul: Also du kommst irgendwann? Bitte.
    Annika: Lass mir noch Zeit. Wir chatten ja oft. Bis bald.
    Am Nachmittag erscheinen seine Eltern. Paul fühlt sich hin- und hergerissen zwischen der Erleichterung über die Ablenkung und der kaum wahrnehmbaren Freude darüber, dass doch noch eine kleine Art von Geburtstagsfeier stattfindet. Mutter und Vater sind gut gekleidet, als gäbe es wirklich etwas zu zelebrieren, laden ansprechend verpackte Geschenke auf dem Nachttisch ab, gratulieren ihm mit traurigen Augen.
    Â»Wird schon wieder, mein Sohn, wird schon wieder«, murmelt der Vater und drückt ihn an sich, die Mutter hält seine Hand, dann packt Paul seine Geschenke aus. T-Shirts, Boxershorts, wieder Bücher, Gutscheine, um Musik aus dem Internet zu laden. Eine sportliche Armbanduhr. Eigentlich hat er schon eine, die er mag.
    Â»Das sind erst mal nur Kleinigkeiten«, erklärt die Mutter. »Wenn du entlassen bist, bekommst du noch einen Betrag von uns zur freien Verfügung, für ein Auto oder eine Reise, was du möchtest, Paul. Etwas Besonderes zum Achtzehnten soll es schon sein, etwas, das dir guttut.«
    Ein Auto. Max’ Wagen zerschmettert am Baum. Immer diese Bilder, immer.
    Â»Ãœbrigens habe ich einen Anwalt eingeschaltet, um mich wegen einer Schmerzensgeldzahlung beraten zu lassen«, fügt der Vater hinzu. »Nicht, dass wir Maximilians Familie schaden wollen, aber was uns zusteht, steht uns zu, da muss man nichts verschenken. Da würden seine Eltern nicht anders handeln.«
    Max’ Vater bestimmt, denkt Paul und nickt wortlos. Der würde noch ganz andere Geschütze auffahren, um seinem Sohn zu seinem Recht zu verhelfen. Paul versucht ihn sich vorzustellen, wie er wohl auf Max’ Tod reagiert hat. Matthias Rothe, der Mann, der immer alles unter Kontrolle hatte, der es gewohnt war, Menschen und Ereignisse zu beeinflussen, alles zu steuern, sich durchzusetzen. Gegen den Tod ist er machtlos. Seinen Sohn kann er weder mit Macht noch Geld zurückholen.
    Â»Versuch, nicht so viel zu grübeln«, meint Pauls Mutter. »Nicht heute. Du hast Geburtstag, das ist trotz allem ein Grund, nach vorne zu schauen.«
    Nach vorne schauen, bei null anfangen. Das Leben ohne Max weiterleben, dabei fehlt er ihm gerade heute so sehr, so sehr. Max hätte mich besucht, denkt Paul, auf jeden Fall wäre er hergekommen. Paul atmet tief durch und wendet sich wieder seinen Eltern zu, fragt nach ihrem Alltag, der Arbeit. Zwischendurch schweigen sie immer wieder, weil sie nicht weiter wissen. Weil es keine Feier ist, so sehr sie sich auch bemühen, eine daraus zu machen. Die Mutter hat Torte gebacken, die sie zum Krankenhauskaffee verzehren, Pauls Lieblingstorte mit Biskuit, Ananas und Kokos, sommerlich leicht, sie schmeckt himmlisch, dennoch fühlt er sich bei jedem Bissen, als müsse er die ganze Welt verschlucken. Irgendwann holt der Vater das Spiel »Siedler von Catan« hervor, unwillkürlich muss Paul lächeln, mit dreizehn hat er das gern gespielt, heute lässt er sich darauf ein, immerhin

Weitere Kostenlose Bücher