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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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packe den Schulrucksack für morgen, dann schlüpfe ich unter meine Decke. Sobald ich meine Leselampe am Bett ausgeschaltet habe und mich ausstrecke, falle ich in einen tiefen Schlaf.
    Irgendwann holt mich ein Geräusch zurück, ein Licht, vielleicht ein Duft. Ich bekomme meine Augen nicht auf, es ist noch zu früh zum Aufstehen, das Licht nehme ich nur als rötlichen Streifen durch meine geschlossenen Lider wahr, eine Stimme dringt aus weiter Ferne zu mir, leise, ein wenig säuselnd wie der Wind in den Bäumen vor meinem Fenster, dann näher kommend, eindringlicher. Vielleicht träume ich, ich will weiterschlafen, meine Hände fliegen über die Bettdecke, ich drehe mich weg vom Licht, hin zur Wand, aber jetzt weht ein Duft an meiner Nase vorbei wie Rauchschwaden von einer Kerze, oder brennt es, brennt es hier?
    Wieder die Stimme. Jetzt erkenne ich sie, es ist die meiner Mutter, die in mein Zimmer gekommen ist, das Licht von der Deckenlampe im Korridor fällt als schmaler Streifen durch die angelehnte Tür. Mama schwenkt eine Duftlampe hin und her, immer wieder hin und her, zierliche Kettenglieder klirren leise in einem Ring.
    Â»Du musst an dich glauben, Maximilian«, haucht sie dicht über meinem Ohr. »Niemals aufgeben, hörst du? Wenn du an dich glaubst, kannst du alles erreichen. Ich schicke dir jetzt ganz viel positive Energie.« Ein wehendes Geräusch in der Luft und über meinem Kopf. »Du spürst, wie sich die Energie auf dich niedersenkt wie der erfrischende Schatten an einem langen, heißen Tag«, säuselt sie weiter. Ich will weiterschlafen, verdammt.
    Â»Die Energie breitet sich in deinem Körper aus, du fühlst dich ruhig und gestärkt.« Schwenk, schwenk, was ist das bloß für ein Gestank, doch nicht etwa Lavendel, ich konnte es noch nie leiden, wenn Mama ihre kleinen Stoffsäckchen mit diesen verdorrten, stinkenden Blüten in meinem Wäscheschrank versteckte. Es kann auch ein anderes Kraut sein, undefinierbar.
    Â»Jede Faser deines Körpers ist nun angefüllt mit frischer Energie«, flüstert sie, endlich nimmt sie die Duftlampe etwas weiter von mir weg. Ich tue so, als hätte ich sie nicht einmal bemerkt, liege mit dem Gesicht zur Wand und halte meine Augen geschlossen, atme tief und gleichmäßig, umso schneller ist sie hoffentlich fertig. »Du spürst, wie der Lernstoff in Mathe seinen Schrecken verliert, deine Angst fliegt davon wie ein Schwarm Zugvögel im späten September, nur noch dein Wissen und deine Begabung bleiben übrig, du kannst es. Du kannst alles schaffen, Maximilian. Dein Kopf ist jetzt frei von Ballast, du schläfst jetzt tief und mit herrlichen Träumen bis in den neuen Morgen hinein. Schlaf schön, Maximilian.« Leise und beinahe schwebend entfernen sich ihre Schritte, fast geräuschlos schließt sie meine Zimmertür. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und brauche lange, bis ich wieder einschlafen kann.
    Â»Hast du das gezeichnet?«, fragt mich Natalie am nächsten Morgen. Schneller als ich ist sie nach dem Frühstück fertig, um zur Schule zu fahren, sie genießt es sehr, dass ich sie morgens mit dem Auto mitnehmen kann, seit ich volljährig bin. Auch jetzt hat sie wieder ihren leicht gruftigen Vampirlook aufgelegt und trägt ihre schwarze, nietenbesetzte Lederjacke; wie sie damit an Papa vorbeigekommen ist, frage ich lieber gar nicht erst. Während ich noch versuche, schnell mein Pausenbrot in den Rucksack zu stopfen, und mir die Haare kämme, so schräg nach vorn, wie Annika mich unbedingt immer sehen will, obwohl ich diese Frisur hasse, die jeder Junge trägt und die uns alle so austauschbar macht, beugt sie sich über meinen Zeichenblock mit dem Pantherbild.
    Â»Der sieht hammerhart aus, Max«, stößt sie hervor. »Du müsstest als Künstler Karriere machen, nicht mit Mathe oder dem ganzen trockenen Computerkram. Weiß Papa überhaupt, was du im Zeichnen draufhast?«
    Â»Ich habe ihm schon lange nichts mehr gezeigt. Es würde ihn kaum interessieren.«
    Â»Und Mama?«
    Ich halte im Kämmen inne und sehe sie mit düsterem Blick an.
    Â»Sie war in der Nacht hier und hat mir im Halbschlaf ihren esoterischen Kräuterzauber vorgesungen. Der Inhalt hatte nichts damit zu tun, dass ich mir vielleicht selber treu bleiben soll und an meinen Zielen arbeiten. Es ging nur um den Lernstoff, von dem auch Papa

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