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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Wahl für mich gewesen wäre. Aber da war es zu spät. Wenn mein Vater etwas neben dem, was er mangelnde Anstrengung nennt, nicht leiden kann, dann ist es Wankelmütigkeit. Nur deshalb spiele ich noch immer, während andere Hobbys, an denen ich mehr Freude hatte, schon längst der Schule und ihrem Lernpensum zum Opfer gefallen sind. Fußball zum Beispiel – den habe ich gleich nach dem Übertritt aufs Gymnasium geknickt. Den Ruderverein, dem mein Kumpel Paul noch heute angehört, aufgegeben, als wir in der Neunten waren. Die private Malschule, auf die ich mich immer eine ganze Woche lang gefreut hatte, kurz danach. Dort konnte ich wirklich abtauchen in meine eigene Welt, mit Farben und Materialien experimentieren, habe Anregungen und Tipps von der Kunstlehrerin bekommen, die selbst ein eigenes Atelier mit angeschlossener Galerie hatte. Meine Mutter und ich waren immer der Meinung gewesen, ich hätte dort richtige Kunstwerke angefertigt, doch wenn wir etwas davon rahmen und in der Wohnung aufhängen wollten, hatte Papa jedes Mal gemeint, an der Pinnwand in der Küche gern, doch im Wohn- und Speisezimmer bevorzuge er doch lieber die Werke gestandener Meister und zeitgenössischer Genies. Seitdem zeichne ich nur noch heimlich.
    Mein Vater seufzt.
    Â»Mit Rücksicht auf die Nachbarn lassen wir es für heute. Morgen komme ich ohnehin früher nach Hause, da zeigst du mir, wie du vorankommst. Gute Nacht.«
    Ich erwidere den Gutenachtgruß und drücke meiner Mutter einen Kuss auf die Wange, meinem Vater nicke ich nur zu. Dass er mal früher von der Arbeit kommt, haben wir schon seit Monaten nicht mehr erlebt. Meinetwegen muss er sich nicht beeilen.
    Natalie verschwindet in ihrem Zimmer und schließt die Tür hinter sich, Sekunden später dringt Rockmusik auf den Flur, gerade noch so leise, dass niemand ihr wirklich einen Vorwurf machen könnte. Ich schließe mich im Bad ein, um mich zu waschen und mir die Zähne zu putzen, obwohl ich bestimmt nicht sofort einschlafen kann. Aber für heute habe ich genug von meinem Vater. Ich möchte allein sein.
    3.
    In meinem Zimmer ziehe ich mich aus und streife T-Shirt und Boxer für die Nacht über. Es war gelogen, als ich vorhin behauptet habe, ich würde Annika noch anrufen. Auf meinem Schreibtisch liegt ein Foto von ihr, das sie mir kürzlich geschenkt hat, aber ich nehme es nicht hoch, um es zu betrachten, verspüre kein Bedürfnis, mit dem Finger darüber zu streichen, als wäre es wirklich ihr Gesicht. Mein Handy blinkt, also ist eine Kurznachricht eingegangen, vielleicht auch mehrere, ich sehe nach. Annika fragt, ob ich sie morgen früh zur Schule abholen werde. »Klar«, schreibe ich zurück. »Ich freu mich auf dich. Schlaf gut, dein Max.«
    Etwas unschlüssig lungere ich noch in meinem Zimmer herum, der Abend hat kein gutes Gefühl in mir hinterlassen. Es nagt an mir, was mein Vater über mich gesagt hat. Neben mir auf dem Bett liegt noch mein Zeichenblock, zugeklappt. Ich greife danach und schlage das Deckblatt zurück, mein letztes Bild ist noch nicht fertig, eine Bleistiftzeichnung, die mir richtig gut gelungen ist, ein Panther ist drauf, der sich durchs Dickicht des Urwalds an seine Beute pirscht. Die Augen und der Glanz seines Fells sind richtig echt geworden, das Spiel seiner Muskeln wirkt plastisch und man sieht jedes einzelne Haar, dieses Mal habe ich mir richtig viel Zeit dafür genommen, mehrere Bleistifte in verschiedenen Härtegraden eingesetzt, für das schwarz schimmernde Fell ganz dünne, Härchen für Härchen habe ich gezeichnet, dabei konnte ich mich unheimlich gut konzentrieren, es war wie in Trance, alles andere um mich herum habe ich vergessen, habe nicht an die Schule gedacht, nicht an Mathe, weder an Klausuren noch an Prüfungen, an nichts.
    Noch einmal nehme ich meine Bleistifte aus ihrer Blechschachtel, verbessere etwas an der Nase des Tieres, füge weitere Pflanzen hinzu, halte das Bild auf Armeslänge von mir ab und betrachte es eingehend. Ganz fertig ist es noch nicht, ich habe nicht die gesamte Fläche des Blattes gefüllt, aber auch so, oder vielleicht gerade so, hat es etwas. Vielleicht lasse ich es unvollendet, das gibt der Zeichnung etwas Lebendiges, Geheimnisvolles. Das Malen hat mich beruhigt und abgelenkt, endlich spüre ich eine friedvolle Müdigkeit und kann ins Bett gehen. Ich räume meine Zeichenutensilien weg und

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